Standpunkte

(K)eine nachhaltige Geldordnung

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Wer sich für eine nachhaltige Wirtschaftsordnung und eine Überwindung des Wachstumsdogmas einsetzt, für den mag das Geldsystem auf den ersten Blick nicht als eine entscheidende Instanz erscheinen. Doch wer sich intensiv mit der Geschichte des Geldes und den Mechanismen des gegenwärtigen Geldsystems auseinandersetzt, wird schnell merken, dass die gegenwärtige Geldordnung ein entscheidendes Hindernis auf dem Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaftsordnung darstellt. Im Folgenden Beitrag werden diese Probleme am Fundament unseres Geldsystems kurz ausgeführt und Potenziale einer entsprechenden Reform aufgezeigt.

Das Geldsystem und Geldschöpfung

“The study of money, above all other fields in economics, is one in which complexity is used to disguise truth or to evade truth, not to reveal it. […] The process by which banks create money is so simple, the mind is repelled. Where something so important is involved, a deeper mystery seems only decent .“ – John Kenneth Galbraith, 1975

Entgegen der Sicht des ökonomischen Mainstream kann unsere Ökonomie im Großen nicht allein mit der Analyse von „realen“ Güterströmen verstanden werden, denn wir leben in einer Geldwirtschaft. Die fundamentale Bedeutung dieses Zusammenhangs wird vielleicht an einem kleinen Beispiel deutlich: Angenommen, in einer Volkswirtschaft erwarten die Menschen schwere Zeiten und sparen, indem sie Güter und Vorräte anhäufen. Für die gesamte Wirtschaft bedeutet das zusätzliche Nachfrage und Produktion, die Wirtschaft brummt.

Wenn die Menschen aber nicht in Gütern, sondern in Geld sparen, dann kehrt sich das Bild um. Denn in diesem Fall wird Erspartes und Einkommen eben nicht ausgegeben, sondern unter der Matratze versteckt oder auf dem Sparkonto deponiert. Dieses ersparte Geld wird damit dem Wirtschaftskreislauf entzogen und gewissermaßen stillgelegt. Entsprechend wird die Nachfrage verringert und Unternehmer können weniger Güter absetzen, machen weniger Gewinne und müssen Mitarbeiter entlassen.

Dieses simple Beispiel verdeutlicht die Abhängigkeit unserer Ökonomie vom Geld bzw. von der effektiven Nachfrage, die sich über Geld ausdrückt. Fehlt es an Geld, dann strauchelt die Wirtschaft – egal wie produktiv und innovativ die Unternehmen sind. Doch was bestimmt die Geldmenge und wie entsteht überhaupt Geld?

Den wenigsten Bürgern ist bewusst, dass es Banken sind, die in einem modernen Geldsystem den Großteil des Geldes schaffen. Zwar haben Staat und Zentralbank die alleinige Kontrolle über das Bargeld (Münzen und Papiergeld), aber dieses macht nur noch etwa 10% der Geldmenge aus. Das meiste Geld hingegen, das Buchgeld, befindet sich auf digitalen Bankkonten und entsteht etwa dann, wenn Banken einen Kredit vergeben und die entsprechenden Guthaben auf einem Girokonto gutschreiben:

„Whenever a bank makes a loan, it creates a deposit in the borrower’s bank account, thereby creating new money.” (Bank of England)

Nicht Ersparnisse finanzieren daher Kredite, sondern erst Kredite schaffen Ersparnisse. Umgekehrt verschwindet Geld wieder, wenn Schulden zurückgezahlt werden. Geld und Schulden sind somit zwei Seiten der gleichen Medaille. Kein Geld ohne Schulden.

Funktionsprobleme im Geldsystem

“I am afraid the ordinary citizen will not like to be told that the banks can and do create money. And they who control the credit of the nation direct the policy of Governments and hold in the hollow of their hand the destiny of the people.”
– Reginald McKenna, 1924

Doch damit eine Verzinsung für den bestehenden Geld- bzw. Schuldenbestand erbracht werden kann, ist ein Wachstum der Geldmenge erforderlich. Dieser Mechanismus wird sehr anschaulich von Hyman Minsky in seinem Buch Stabilizing an Unstable Economy beschrieben: “Investment today validates the decisions undertaken yesterday.”

Erst die Investitionen der Zukunft „validieren“ die Investitionskredite der Gegenwart. Erst wenn vielversprechende Investitionsprojekte der Zukunft zusätzliche Nachfrage schaffen, können die Unternehmer von heute genug verdienen, um ihren Kreditversprechen nachzukommen, kann der gesamtwirtschaftliche Schuldendienst geleistet werden.

Aber wenn sich Unternehmen und Bürger nicht weiter verschulden wollen, wird es problematisch – so wie gegenwärtig in der Krise. Dann kann entweder der Staat mit schuldenfinanzierten Konjunkturpaketen einspringen oder, wenn das unterbunden wird – wie gegenwärtig in Griechenland – dann kollabiert die Wirtschaft.

Das gegenwärtige Geldsystem hält somit zwei Möglichkeiten offen: Eine Spirale aus Innovation, steigenden Schulden und Wachstum oder wirtschaftliche Stagnation und Depression. Die Umsetzung einer Postwachstumsgesellschaft erscheint in diesem Rahmen eher schwierig.

Außerdem wird im gegenwärtigen Geldsystem dem Bankensektor eine höchst privilegierte Sonderstellung verschafft, da die gesamte Wirtschaft und Politik am Kredittropf der Banken hängt. Dem Staat hingegen entgehen in diesem System große Einnahmen: Während das staatliche Vorrecht der Münzprägung historisch zeitweise eine der wichtigsten staatlichen Einnahmequellen ausmachte, verbleibt heute nicht viel aus der Prägung von Münzen, da diese nur noch ca. 1% der Geldmenge ausmachen. Banken derweil können sich die Finanzierung für spekulative Investments selber schaffen und so Vermögenspreisblasen anheizen – ein äußerst lukratives Geschäft. Dafür darf der Staat die Scherben wegwischen, wenn es doch einmal schief läuft mit der Spekulation der Banken. Die Bankenrettung ist dabei jedoch nicht einfach als politisches Versagen abzutun, sondern systemisch weitgehend notwendig. Denn den wenigsten Bürgern ist bewusst, dass ihre Bankguthaben juristisch lediglich ein Versprechen der Bank auf Auszahlung von Bargeld sind und im Prinzip einen Kredit an die Bank darstellen. Ohne die umfassenden staatlichen Bankenrettungsprogramme der letzten Jahre, wären daher die Ersparnisse der Bürger direkt vor Ausfall bedroht gewesen. Eine Möglichkeit, die Vorzüge bargeldlosen Zahlungsverkehrs zu nutzen, ohne sein Geld dabei gleichzeitig dem Gutdünken einer Bank anzuvertrauen, gibt es für den normalen Bürger jedoch im gegenwärtigen System nicht.

Angesichts dieser fundamentalen Fehlfunktionen unserer Geldordnung, stellt sich die Frage nach möglichen Reformen. Im Folgenden soll daher in groben Zügen die Idee der sogenannten Vollgeldreform vorgestellt werden.

Potentiale einer (Voll-)Geldreform

“The government should create, issue and circulate all the currency and credit needed to satisfy the spending power of the government and the buying power of consumers. […] Money will cease to be master and become the servant of humanity.” – Abraham Lincoln, 16th US President

Die Grundidee der Vollgeldreform (engl.: sovereign money reform) ist die Verstaatlichung des Geldes (nicht der Banken) und damit die Beendigung jeglicher Geldschöpfung durch Geschäftsbanken.
Erstens werden dazu Guthaben auf Girokonten zu vollwertigem gesetzlichem Zahlungsmittel erklärt und aus den Bilanzen der Banken ausgelagert. Damit stellen diese Guthaben keinen Kredit mehr an eine Bank dar, sondern sind vollständig im Besitz des Kunden genau wie Bargeld in der Tasche. Zweitens wird eine vierte unabhängige Gewalt, die Monetative, geschaffen, welche das Monopol der Geldschöpfung besitzt und mit der optimalen Steuerung der Geldmenge beauftragt ist. Wenn diese entscheidet, dass eine Erhöhung der Geldmenge sinnvoll ist, wird dem Staatshaushalt frisch geschöpftes Geld schuldfrei übertragen und kommt dann über Staatsausgaben in Umlauf. Banken hingegen werden zu reinen Vermittlern zwischen Sparern (die sich bewusst dazu entscheiden ihr Geld bei einer Bank anzulegen) und Kreditnehmern.

Die Vollgeldreform würde das Fundament des Geld- und Finanzsystems grundlegend reformieren und hätte zahlreiche Vorteile:
1) Einfachheit und Transparenz des Geldsystems.
2) Die Geldmenge kommt vollständig unter direkte staatliche Kontrolle, was eine wirksame Steuerung der Geldmenge und einen verstetigten Geldfluss ermöglicht.
3) Banken werden anderen Investoren gleichgestellt und können sich Geld für spekulative Investments nicht mehr selber schaffen, sodass Spekulationsblasen vorgebeugt wird.
4) Kontoguthaben und der Zahlungsverkehr sind vor Bankpleiten geschützt, sodass Banken nicht mehr vom Staat gerettet werden müssen.
5) Die Verknüpfung von Geld und Schulden ist aufgelöst. Somit können Kredite zurückgezahlt werden, ohne damit gleichzeitig die Geldmenge und damit auch die effektive Nachfrage zu reduzieren. Der Zwang zum Wachstum wird insgesamt stark abgemildert und eine Postwachstumsgesellschaft ermöglicht.
6) Der regelmäßige Gewinn aus der Geldschöpfung kommt vollständig dem öffentlichen Haushalt und damit der gesamten Gesellschaft zugute.
7) Die Staatsschulden könnten bei der Systemumstellung auf Vollgeld mit einem Schlag stark reduziert werden.

Erst vor ca. 100 Jahren wurde das Papiergeld verstaatlicht, indem es privaten Geschäftsbanken untersagt wurde, eigene Banknoten zu drucken. Aufgrund des technischen Fortschritts hat das Bargeld jedoch an Bedeutung verloren und nun ist es an der Zeit, in ganz ähnlicher Weise das staatliche Vorrecht der Geldschöpfung auch auf das Buchgeld, d.h. die unbaren Guthaben bei einer Bank, auszuweiten. Sicherlich birgt eine grundlegende Reform des Geldsystems einige Unsicherheiten und Herausforderungen, doch angesichts der massiven Verwerfungen und Fehlfunktionen des gegenwärtigen Systems scheint dieses Wagnis lohnenswert.

Das Geldsystem wurde von Menschen gemacht und kann auch wieder von Menschen verändert werden – wenn sich nur genug engagierte Bürger dafür stark machen. In dieser Hinsicht gibt es mittlerweile weltweit Initiativen, welche sich für eine Vollgeldreform einsetzen – vor allem in Island, England und der Schweiz mit vielversprechenden Erfolgen.

Das Geldsystem sollte den Menschen dienen, nicht umgekehrt. Wenn diese Initiativen Früchte tragen, ist ein solches, nachhaltiges Finanz- und Geldsystem möglicherweise endlich in Aussicht.

Weitere Infos zur deutschen Vollgeldinitiative gibt es auf der Website der Monetative e.V.
Empfohlene Einstiegsliteratur:
• Das Buch „Monetäre Modernisierung“ von Joseph Huber
• Die Online Broschüre „Creating a Sovereign Monetary System“ unserer britischen Schwesterbewegung Positive Money (~50 Seiten, freier Download)

Lino Zeddies, geboren 1990 in Hannover, betätigt sich als selbstständiger Aktivist für gesellschaftlichen Wandel. Nach dem Abitur trieb es ihn zum VWL-Studium nach Berlin. Frustriert von den dort vorherrschenden Dogmen und weltfremden Modellen, engagierte er sich im Netzwerk Plurale Ökonomik e.V., baute zwei plural-ökonomische Ringvorlesungen an der Uni auf und engagierte sich bei Monetative e.V. und im International Movement for Monetary Reform für Reformen für das Geld- und Finanzsystem. Es folgten weitere sehr unterschiedliche Lebensstationen als Coach, Heilpraktiker für Psychotherapie und Organisationsberater, in denen er sich viel mit progressiven Formen der Zusammenarbeit und innerem Wandel auseinandersetzte. Während der Beschäftigung mit den zahlreichen kleinen und großen Lösungen für eine schönere Welt entstand die Idee für das Buch "Utopia 2048", das er im April 2020 veröffentlichte.

3 Kommentare

  1. Lino Zeddies sagt am 20. Mai 2016

    Lieber Ernst Dorfner,

    vielen Dank für den Kommentar!

    Zu der Frage: „Wie aber kommt die Geldmenge in den Geldfluss?“ habe ich geschrieben „Wenn diese [Monetative] entscheidet, dass eine Erhöhung der Geldmenge sinnvoll ist, wird dem Staatshaushalt frisch geschöpftes Geld schuldfrei übertragen und kommt dann über Staatsausgaben in Umlauf.“ Neues Geld kommt damit also nicht mehr wie jetzt über Bankkredite in Umlauf, sondern primär schulfrei über staatliche Ausgaben in den Wirtschaftskreislauf und damit auch vor allem in die Realwirtschaft und nicht vor allem in Spekulation in Vermögenswerte (so wie jetzt). Natürlich ist Geld in seiner Natur eine Art Schuld bzw. eine Art gesellschaftsvertragliches Versprechen aber es wäre damit keine institutionalisierte, zu verzinsende Schuld mehr so wie im Geldsystem jetzt.
    Somit kann in einem Vollgeldsystem die Geldmenge wachsen und dadurch Zinszahlungen ermöglichen, ohne dass die Wirtschaft auch wachsen MUSS. Natürlich gibt es auch dann immer noch einen Wachstums“druck“ durch die Profitinteressen der Unternehmer und zahlreiche weitere Faktoren aber meines Erachtens keinen Wachstums“zwang“ mehr durch die Geld-Schuldenspirale, welche gegenwärtig in der Tat immer neue Investitionen erfordert.

    Auch denkbar und möglich wäre es in einem Vollgeldsystem, Inflation zu erzeugen durch Schöpfung neuen Geldes über das Wachstum des wirtschaftlichen Outputs hinaus und damit eine Art umverteilende Umlaufsicherung einzuführen. Wäre solch eine Inflation beispielsweise bei 5% und der marktübliche Zins bei nur 4% würde das dazu führen, dass Vermögende trotz Existenz eines Zinses nicht mehr reicher werden würden und die Problematik der Zins- und Zinseszinsdynamik damit entschärft wäre (zumindest solange Inflation größergleich Marktzins). Aber das ist jetzt eine Überlegung von mir die über die Kern-Vollgeldreform hinausgeht.

    Beste Grüße
    Lino Zeddies

  2. Korrigierter Text

    Lieber Lino,

    du schreibst:

    2.) Geldmenge kommt vollständig unter direkte staatliche Kontrolle, was eine wirksame Steuerung der Geldmenge und einen verstetigten Geldfluss ermöglicht
    3) Banken werden anderen Investoren gleichgestellt und können sich Geld für spekulative Investments nicht mehr selber schaffen, sodass Spekulationsblasen vorgebeugt wird.

    5) Die Verknüpfung von Geld und Schulden ist aufgelöst. Somit können Kredite zurückgezahlt werden, ohne damit gleichzeitig die Geldmenge und damit auch die effektive Nachfrage zu reduzieren. Der Zwang zum Wachstum wird insgesamt stark abgemildert und eine Postwachstumsgesellschaft ermöglicht.

    Wie aber kommt die Geldmenge in den Geldfluss? Doch über die Banken in Form von Krediten an die Unternehmen. Diese sind später zurückzuzahlen – und wenn auch keine Zinsen hierfür verlangt werden, wollen doch die einren Gewinn machen, und eine Marge für die Abdeckung des Investitionsrisikos erzielen. Es gilt also weiter nach K. Marx: „Kaufen, um teurer zu verkaufen.“
    Das aber ist nur möglich, wenn von Periode zu Periode mehr investiert wird. Also wenn es weiterhin Wachtum gibt.Daran ändert sich nichts, auch wenn „die Verknüpfung von Geld und Schulden“ aufgelöst ist. Die Sache mit dem Vollgeld betrifft ja nur die Banken, die nicht mehr selbst Geld (Kreditgeld) schöpfen können.

    In What are the alternatives to QE? How about money creation for the public? – Positive Money wir diese Frage angeschnitten, wo es u. a. Heißt:

    According to this approach, increasing the amount of money in the economy faster than the supply of goods and services results in inflation.
    But creating new money does not always trigger price inflation. If new money is created and spent on the production of new goods and services, then the supply of goods and services is increasing alongside demand. In this situation you have an increased amount of money chasing an increased amount of goods and services being supplied. Inflation will not take place if supply is growing consistently with growth in the stock of money.

    Lieber Lino, ich beschäftige mich mit der Frage schon 30 J
    ahre. Hierzu darf ich auf aktegeld1.blogspot.co.at aus dem Jahre 1994 verweisen. ;Mehr findst du, swen du unter Ernst Dorfner googelst, oder aktegeld.blogspot.co.at suchst.

    Soviel vorerst einmal
    Ernst Dorfner

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