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Finanzmärkte und Wachstum: keine eindeutige Beziehung

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Wohl treiben Finanzmärkte das Wachstum an, indem sie Kredite und Renditeansprüche ausweiten. Gleichzeitig stellen die gegenwärtigen Finanzmärkte ein Wachstumshemmnis dar. Denn wer will nach der Finanzkrise, in der es einen globalen Einbruch des Wachstums gab, noch behaupten, der Finanzkapitalismus sei wachstumsfreundlich?
Und selbst wenn sie gerade keine Krisen verursachen, wirken die heutigen Finanzmärkte durch die von ihnen beanspruchten Ressourcen und Gewinne investitions- und wachstumshemmend. Entsprechend soll und wird die Regulierung des Finanzmarkts vor allem eines bringen: mehr Wachstum.

Muss man deshalb als Wachstumskritiker die Finanzmärkte gar unterstützen? Nein, das muss man wahrlich nicht. Denn das für die Renditen der Finanzmärkte zusätzlich nötige Wachstum nützt besonders dem schon vermögenden Teil der Gesellschaft. Die Ungleichheit von Vermögen als eine Folge des Finanzkapitalismus und als ein Grund für die Finanzkrise wird inzwischen selbst vom Internationalen Währungsfond anerkannt. Wir können also getrost die Finanzmärkte kleiner machen und über das dadurch frei werdende Potential entscheiden – was auch einen Verzicht einschließen kann.

In ihrer heutigen Gestalt sind Finanzmärkte nicht dazu angetan, einen solchen Verzicht oder auch ein anderes Wachstum zu befördern. Finanzinvestoren und Banken kennen bei der Bewertung von wirtschaftlicher Aktivität kaum einen Maßstab außer Gewinn und Wachstum. Die neuen Eigenkapitalvorschriften „Basel III“ orientieren sich nach wie vor bei der Risikobewertung nur an wachstumsgetriebener ökonomischer Aktivität. Auch die Ratingagenturen messen die Ausfallwahrscheinlichkeit eines Emittenten vor allem an dessen Umsatz bzw. Bruttoinlandsprodukt und den entsprechenden Wachstumsraten. In China gab es zwar Versuche, die Kreditbewertung auch an ökologische Kriterien zu binden, aber diese wurden nicht fortgeführt. Internationale Standards in diese Richtung gibt es bisher nur freiwillig und entsprechend schwach.

Alternative Bewertungen, die auch auf Kosten von Wachstum gehen könnten, sind in Finanzmärkten kaum vorhanden. Es gibt zwar nachhaltige Fonds und Banken, aber diese stecken ihr Geld oft auch in wachstumsträchtige Unternehmen, die nur relativ gesehen grüner sind als andere. Doch selbst wenn es wirklich grüne Unternehmen sind, hängt die Wirkung letztlich an der Frage, ob es – wie beim Green New Deal angestrebt – ein grünes Wachstum geben kann, das nicht am Ende denselben Ressourcenverbrauch nach sich zieht wie das klassische Wachstum. Insofern können die Finanzmärkte nur soweit aktiv zur Lösung des Wachstumsproblems beitragen, wie man sich auf eine klare Antwort auf die Frage verständigt, welche Realwirtschaft wir dazu brauchen.

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