In einer Zeit, in der immer größere Autos unsere Städte dominieren und wertvolle Ressourcen verschlingen, bietet das Konzept der Feinmobilität eine Alternative. Mit dem Fokus auf kleinere, leichtere und ressourcenschonendere Fahrzeuge, ermöglicht sie nicht nur einen schonenderen Umgang mit Rohstoffen, sondern schafft auch dringend benötigten Raum in unseren Straßenräumen. Was steckt hinter diesem Begriff, und wie kann er zu einer nachhaltigeren Mobilität und einem menschenfreundlicheren Stadtraum beitragen?
Was ist Feinmobilität?
Feinmobilität umfasst alle sogenannten Bewegungsmittel in der Größenordnung zwischen Schuh und Auto. Die Fahrzeuge und Mobilitätshilfen werden nicht nach Antriebsart oder Geschwindigkeit klassifiziert, sondern nach ihrer physischen Größe, der sogenannten Raumnahme. Der Kern des Konzepts ist die G-Klassifikation, die Fahrzeuge in sieben Größenkategorien einteilt – von XXS (kleinste Bewegungsmittel wie Rollstühle oder Tretroller) bis XXL (große Pkw wie SUV, Geländewagen oder Sprinter). Die Feinmobilität konzentriert sich dabei auf die Kategorien XXS, XS und S, die besonders ressourcen- und raumschonend sind. Fahrräder aller Art und Mopeds sind nach dieser Kategorisierung Feinmobile.
Abbildung 1: Beispielhafte Arten von Feinmobilen je G-Klasse.
Mehr Raum für Menschen: Der Gewinn für den Stadtraum
Ein zentraler Vorteil der Feinmobilität liegt in der Entlastung des begrenzten Stadtraums. In den letzten Jahrzehnten sind die Fahrzeuggrößen und die Anzahl von Pkw stetig gestiegen. Dies führt nicht nur zu verstopften Straßen, blockierten Sichtbeziehungen im Straßenraum und überfüllten Parkplätzen, sondern schränkt auch die Nutzbarkeit von Gehwegen und öffentlichen Flächen ein. Durchschnittlich wird ein Pkw 23 Stunden pro Tag geparkt, und in Großstädten stehen bis zu 42 % der Autos im öffentlichen Raum.[i]
Feinmobile hingegen nehmen deutlich weniger Platz in Anspruch. Ihre geringere Größe erlaubt eine effizientere Nutzung von Verkehrsraum, wodurch mehr Raum für aktive Mobilität, Aufenthalt und Grünflächen gewonnen werden kann (s. Abb.). Zudem führen sie zu weniger Sichtbehinderungen und erhöhen die Verkehrssicherheit – ein entscheidender Vorteil für städtische Lebensqualität.
Abbildung 2: Beispielhafte Ausweisung von Parkständen nach G-Klasse auf Multifunktionsstreifen.
Energieeffizienz und Klimaschutz
Ein weiterer entscheidender Aspekt für Feinmobile ist ihre hohe Energieeffizienz. Große Fahrzeuge verbrauchen nicht nur deutlich mehr Energie während der Herstellung, sondern auch im Betrieb. Feinmobile hingegen sind leichter. Ihre kompakte Bauweise reduziert im Sinne des Postwachstums den Materialbedarf, und ihr geringeres Gewicht senkt den Energieverbrauch, insbesondere bei elektrisch betriebenen Fahrzeugen.[ii]
In einer Zeit, in der der Verkehr zu einem der Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen geworden ist, können feinere Fahrzeuge einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Ein Wechsel zu Feinmobilität bedeutet weniger Verbrauch fossiler Brennstoffe, geringere Treibhausgas-Emissionen und eine effizientere Nutzung erneuerbarer Energien.
Feinmobilität: Die Dimensionswende als Teil der Verkehrswende
Die Feinmobilität fordert uns auf, Mobilität neu zu denken: weg von überdimensionierten Fahrzeugen hin zu bedarfsgerechten, raumverträglichen Lösungen. Dies erfordert ein Umdenken in der Verkehrs- und Stadtplanung, das proaktive Anpassen von Infrastruktur sowie gezielte Fördermaßnahmen, aber auch eine einfachere Nutzung bspw. durch Sharing-Angebote von Feinmobilen.
Fazit: Mobilität mit menschlichem Maß
Feinmobilität zeigt, dass Mobilität nicht zwangsläufig groß, raumgreifend, laut und ressourcenintensiv sein muss. Sie bietet eine konkrete Möglichkeit, unsere Lebensqualität umwelt- und klimaschonend zu verbessern und einen Grundstein für eine suffiziente Lebensweise zu legen. Das Verlagerungspotential ist hoch, da die Vielfalt an Feinmobilen geeignete Bewegungsmittel für (fast) alle Lebenslagen und Nutzungszwecke bietet. Durch das Zusammendenken und Zusammenbringen etablierter und in Zukunft neu auf den Markt kommender Feinmobile im Handel sowie in der Stadt- und Verkehrsplanung) kann dieses Potential auch tatsächlich gehoben werden.
Mehr Infos unter: feinmobilitaet.de sowie im Standardwerk „Feinmobilität“ als PDF im Open-Access.
[i] Infas, DLR, IVT und infras 360 (2018), Mobilität in Deutschland (im Auftrag des BMVI).
[ii] Brost, M., Ehrenberger, S., Dasgupta, I., Hahn, R. (2022), The Potential of Light Electric Vehicles for Climate Protection through Substitution for Passenger Car Trips – Germany as a Case Study – Project Report.