Neues aus der Wissenschaft

Es geht nicht ums Wachstum – Es geht um den Wettbewerb

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Bei Normalbürgern und Aktivisten der Zivilgesellschaft macht sich Wachstumsskepsis breit. Wachstumskritische Kongresse finden im Wochenrhythmus statt. “Das Wort Wirtschaftswachstum hat keinen guten Klang mehr.” Das ist gut so.

Doch liegen die Probleme, denen wir gegenüberstehen und die wir endlich zu erkennen beginnen, nicht im Wachstum (des BIP) an sich, sondern im Wettbewerb, in den unbeschränkten, „freien“ Marktkräften.

Wachstum ist kein Instrument

Wenn Wachstumskritiker gegenüber den dominanten politischen Kräften einwenden, diese würden am Wachstum „festhalten“, obwohl dessen Nachteile doch offenkundig seien, so ist dem entgegenzuhalten, dass Wachstum überhaupt kein Instrument ist, an dem sich „festhalten“ ließe. Natürlich legt eine Politik, die sich etwa anschickt, ein „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ zu beschließen, dies nahe. Doch was man da tut, ist letztlich nichts weiter, als Steuersenkungen zu erlassen (vornehmlich für Besserverdienende), in der Hoffnung, dass sich sodann das Wachstum einstellen und die Wirtschaft, wie man sagt, „angekurbelt“ werde.

Wachstum kann nicht herbeigeführt werden, jedenfalls nicht direkt. Wachstum ist kein Handlungsparameter und auch kein politischer Ansatzpunkt, sondern ein Resultat, nämlich des Wettbewerbs. Und auch dieser kann nicht herbeigeführt, allerdings kann er beschleunigt und verschärft werden, vor allem dadurch, dass man alle Bestrebungen, den Wettbewerb zu beschränken, verhindert und ansonsten für die „Offenheit“ der Märkte sorgt, also dafür, dass der wettbewerbsfähigste Anbieter und der kaufkräftigste Nachfrager das Rennen macht. Das gesamte „neoliberale“ Programm also, nicht nur die Wettbewerbspolitik im engeren Sinne als einer „Wettbewerbsbeförderungspolitik“ (Erich Hoppmann), verschärft und intensiviert den Wettbewerb. Und dieser zwingt zum Wachstum.

Das Betriebsgeheimnis des Wachstums

Wettbewerb ist bekanntlich ein „Prozess schöpferischer Zerstörung“ (Joseph A. Schumpeter). Aber die ÖkonomInnen verschweigen uns, was das bedeutet. Hier ist die Story: Die „Schaffung“ bzw. „Schöpfung“ von Arbeitsplätzen führt unausweichlich zur „Zerstörung“ von Arbeitsplätzen und Einkommen an anderen Orten. (Heute, in Zeiten der ökonomischen Globalisierung, vornehmlich im Ausland.) Der Wettbewerb schafft Gewinner und Verlierer. (Wen wundert das? Aber warum wird dies immer wieder vergessen?) Erst wenn es den Verlierern gelingt, ihre verlorene Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen und ihrerseits eine neue Einkommensquelle zu erschließen, also mehr oder „Besseres“ zu produzieren, wächst die Wirtschaft. Wenn sie darin überfordert sind, gibt es eine Rezession. Dann ist die Krise da.

Darum leben wir im Zeitalter der Ökonomisierung, und zwar aller Lebensbereiche, weil diese alle verwertungsrelevant sind. Und so hecheln wir alle danach, unsere Wettbewerbsfähigkeit mindestens zu erhalten, wenn nicht zu stärken, und zwar möglichst vorausschauend. Dies tun wir in der Regel kaum aus eigenem Antrieb, sondern weil sonst Arbeitslosigkeit und der Verlust des erreichten Lebensstandards drohen. Und wir merken nicht, dass wir dadurch die Wettbewerbsfähigkeit anderer schwächen. Die sich dadurch gezwungen sehen, uns wiederum unter Wettbewerbsdruck zu setzen und uns unsere Einkommensposition streitig zu machen. Und so weiter und so fort. Im Zuge dieses Prozesses kommt es dazu, dass die Wirtschaft wächst. Der Wachstumszwang ist letztlich der Wettbewerbszwang.

Die Ökonomisierung der Lebensverhältnisse

Ökonomisiert wird vor allem die Bildung, die auf Humankapitalbildung umgestellt wird und auf eine tiefgreifende Transformation der Persönlichkeit abstellt. Deren Eckpunkte heißen Selbstmanagement, Eigenverantwortung und Stressresistenz. Aber auch die Wirtschaft selbst wird ökonomisiert, indem sie sich zunehmend ökonomistisch radikalisiert und alles, was der Erzielung höchstmöglicher Renditen entgegensteht, den Unternehmen auszutreiben sich anschickt. Ab jetzt wird mit Gewinnmaximierung Ernst gemacht. Boni sind das entscheidende Vehikel hierfür. Ökonomisiert wird auch die Politik. Die Demokratie ist nicht erst „marktkonform“, seit Bundeskanzlerin Angela Merkel sie dazu erklärt hat, sondern bereits seit dem alle Politik letztlich auf Standortpolitik reduziert wurde. An die Stelle politischer Autonomie („Volkssouveränität“) ist das Mantra der Wettbewerbsfähigkeit getreten. Zur Wahl stehen nur mehr Politiker, die sich in „Wirtschaftskompetenz“ übertrumpfen, d.h. in der Fähigkeit, das „Vertrauen der Märkte“, wie man verschämt das Kapital nennt, zu gewinnen. Natürlich versuchen dies die Politiker jeder Nation, was das global zirkulierende Kapital erfreut und den Wettbewerb der „Standorte“ vorantreibt.

Wir regieren uns nicht selbst, sondern werden von anonymen Marktkräften regiert – von der „unsichtbaren Hand“ (Adam Smith) des Marktes, die präziser als eine „verbergende Hand“ (Jagdish Bhagwati) zu fassen ist. Diese Instanzlosigkeit der Marktverhältnisse und der milliardenfachen, schier undurchschaubaren marktlichen Abhängigkeiten ist es, welche das Wachstum absichert. Denn wenn keine Instanz da ist, die man für den wachsenden Druck verantwortlich machen könnte, gerinnt Verantwortung zur Eigenverantwortung. Nämlich zu der, sich jederzeit und lebenslang wettbewerblich fit zu halten. Darum nannte Smith den Marktnexus das „einsichtige und einfache System der natürlichen Freiheit“. Übersetzt in die heutige Sprache heißt das: „Kein Job? – Selbst schuld!“

Die Politik, insofern doch nicht alles Eigenverantwortung ist, sieht ihre Verantwortung bzw. Kompetenz vor allem darin, Arbeitsplätze zu schaffen. Dies ist der sichtbare Teil des Prozesses. Und wenn dies gelingt, und sei es nur im Niedriglohnsektor, wird Applaus erwartet und zumeist auch gewährt. Was man nicht sieht, sondern nur theoretisch erschließen kann, ist hingegen der Wettbewerbsdruck, der gerade dadurch auf andere, etwa auf die Südländer Europas, ausgeübt wird und der irgendwann auf einen selbst zurückschlägt. Und sei es, wie heute, in Form des Nachfrageausfalls und der Billionen messenden Bürgschaften, die als alternativlos dargestellt werden, damit dieser Nachfrageausfall nicht eintritt oder zumindest abgemildert wird.

Das Kapital als „Prinzipal“ dieser Welt

Hinter der unsichtbaren Hand verstecken sich vor allem die Kräfte des Kapitals. Tumbe Marktgläubigkeit, darin eingeschlossen: die Verkennung des Zusammenhangs von „Schöpfung“ und „Zerstörung“, führten zu einer Politik der „Hofierung“ (Hans-Werner Sinn) des Kapitals. Diese bildet den Fluchtpunkt aller neoliberalen Politik. Das Kapital wurde von der Ökonomik offiziell zum „Prinzipal“ der Unternehmen erkoren. Es ist mehr als das. Es ist der stille Prinzipal dieser Welt. In Folge all der neoliberalen „Reformen“ der Kapitalhofierung und der willfährigen Unterwerfung unter die unstillbaren Renditewünsche der Rentiers sind die Kapitalbestände zu einer gigantischen Blase angeschwollen. Die Gesamtschuldenlast (Unternehmen, Haushalte und Staat) der entwickelten Volkswirtschaften (OECD-Staaten) wuchs von 167% ihres BIP im Jahre 1980 auf 356% im Jahre 2010. Wer soll dies alles erwirtschaften? Die Welt ist darin überfordert, dem Kapital die verlangten Renditen zu verschaffen. Das ist der Kern der aktuellen Krise.

Was ist falsch am „Grünen Wachstum“?

Die Güterfülle und ihr Wachstum an und für sich ist eigentlich gar nicht so sehr das Problem – jedenfalls wenn die Berechtigungsscheine des Zugriffs auf diese, die Einkommen also, einigermaßen fair verteilt wären (was sie nicht sind). Wer möchte sich schon über eine größere Gütefülle beklagen? Natürlich sind die ökologischen Folgewirkungen zu bedenken. Und diese bilden ja auch eine der Hauptstoßrichtungen der Wachstumskritik. Wenn man allerdings allein vom Ende her denkt, vom Wachstum des BIP und der Güter- und Leistungsfülle her, dann ist jedenfalls a priori nicht auszuschließen, dass auch ein „grünes Wachstum“ möglich ist. Dabei will man sich der wettbewerblichen Dynamik ordnungspolitisch bedienen, um die ökologischen „Grenzen des Wachstum“, zumindest für ein gewisse Zeit, hinauszuschieben, wobei die bisherigen empirischen Evidenzen (Stichwort „Rebound-Effekte“) dagegen sprechen und dies alles nur schwer vorstellbar ist. Hypothetisch vorstellbar wäre jedenfalls ein sozusagen ökologisch gegenläufiges Reparaturwachstum, welches die ökologischen Schäden des Normalwachstums erstens beseitigt und zweitens die möglichen Wachstumseinbußen dabei wachstumsmäßig überkompensiert. Oder, wenn doch Wachstum, an und für sich, eine so tolle Sache ist (oder ein Zwang?), dann lasst uns doch nur noch dematerialisiert wachsen, d.h. die Dienstleistungen wachsen lassen. Das Ergebnis wäre dann allerdings eine Dienstbotenwirtschaft.

Falsch daran ist nicht, dass dies nicht möglich sei. Denn es könnte, im Prinzip jedenfalls, möglich gemacht werden, ohne die Wettbewerbsdynamik an und für sich in Frage zu stellen. Falsch daran ist vielmehr, dass man nur auf den Output, das Wachstum, schaut. Und nicht auf die Interaktionsverhältnisse, in die wir uns verstrickt haben oder haben verstricken lassen. Falsch daran ist, dass man auf dingliche Entitäten schaut, nicht auf den wettbewerblichen Markt selbst, der dieses Wachstum, das nun ein irgendwie „qualitatives“ sein soll, erzeugt bzw. erzwingt. Wenn Bütikofer und Giegold „die Märkte in den Dienst sozialer und  ökologischer Entwicklung“ stellen wollen, so ist dem zu entgegnen, dass der (stets wettbewerbliche) Markt kein neutrales Instrument ist, sondern ein sehr spezifischer und höchst problematischer „sozialer“ Interaktionsnexus.

Die beiden wettbewerbsethischen Schlüsselfragen

Warum eigentlich soll die Wirtschaft wachsen, wie ja auch die Green-New-Dealer voraussetzen? Natürlich elementar betrachtet, weil sie diese Güterfülle erzeugt. Doch heute, auf dem erreichten Niveau eines gigantischen Wohlstandes (der allerdings immer weniger einer für alle ist), stellt sich die Frage: Wollen wir weiter wachsen, um die Konsumniveaus noch weiter zu steigern. Oder wachsen wir, weil wir es müssen? Dies ist eine durchaus offene Frage, wobei zwischen den Weltregionen zu differenzieren wäre. Jedenfalls müssen wir vor allem wettbewerbsfähig bleiben oder es wieder werden. Und im Zuge der Erhaltung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit kommen wir nicht umhin, das BIP zu steigern. „Mehr BIP muss nur noch deshalb sein, damit mehr Arbeitslosigkeit vermieden werden kann.“ Doch setzen wir damit den oben beschriebenen Wettbewerbsprozess nur noch weiter in Gang. Und die Frage ist: Wollen wir das? Wenn sich das Leben zunehmend ökonomisiert, wo bleibt denn da die Lebensqualität? Wiegen die konsumtiven Zuwächse den Stress, dem wir bei der Produktion all der mehr oder minder schönen Dinge, die da auf den Markt geworfen werden, ausgesetzt sind, noch auf? Gelegentlich könnte man den Eindruck gewinnen, dass es vor allem der Stress ist, der noch wächst.

Ob der Prozess noch dem guten Leben dient, diese elementare, eigentlich ja grundlegend ökonomische Frage, ist allerdings nur die halbe Miete. Abgesehen davon, dass sie politisch, nicht bloß individuell zu stellen ist, ist die Gerechtigkeitsfrage die entscheidende Frage. Dies erhellt bereits daraus, dass einige ein Leben in marktlicher Selbstbehauptung führen wollen, andere nicht oder weniger weitgehend. Gerechtigkeitsfragen kommen unausweichlich ins Spiel, weil die Geld- und Karrieregeilen andere unter Druck setzen. Sie zwingen diese, freilich über weitgehend „unsichtbare“ bzw. verborgene wettbewerbliche Kanäle, faktisch ihre Lebensform auf, die sie annehmen müssen, um mithalten zu können. Dürfen sie das so ohne weiteres? Und darf das Kapital ihnen dabei helfen? Denn genau dies ist seine Funktion oder je nachdem: Dysfunktion. Es hilft den Wettbewerbsfähigen und -willigen dabei, noch wettbewerbsfähiger zu werden. Insofern ist das Kapital nicht die „Dienerin“, sondern die „Peitsche“ der Realwirtschaft.

Die Vision: Einbettung des Marktes und Begrenzung des Wettbewerbs

Beide Fragen sind demokratisch zu beantworten, nicht durch Experten über die Köpfe der Bürger hinweg. Die Diskussionen sind allerdings immer noch vielfach im binären Denken befangen. Die Frage, vor der wir stehen, ist nicht, ob an die Stelle des Marktes an anderes System treten solle. Sollen wir etwa das Kaufen und Verkaufen aufgeben oder gar verbieten? Die Frage ist vielmehr: Wie weit soll die reine Marktlogik reichen? Wie rein soll sie sich entfalten dürfen? Wie weit sollen wir den Wettbewerb sich weiter verschärfen und in alle Lebensbereiche eindringen lassen? Die Alternative zum unbegrenzten Marktwettbewerb ist schlicht ein begrenzter Marktwettbewerb. Die Wirtschaftssoziologie hat dafür einen Begriff etabliert: Den der „Einbettung“ (Karl Polanyi). Es ist dies der beinahe konservative Gedanke der Mäßigung, des Findens der Balance zwischen konfligierenden Werten, der Wahrung von Verhältnismäßigkeiten.

Einbettung ist immer eine Begrenzung der Entfaltung der reinen Logik des Marktwettbewerbs. Es ist ein Programm der ökonomistischen Entradikalisierung. Ihr Platz sind zum einen die unmittelbaren Interaktionsverhältnisse. Hier bedeutet Einbettung die Integration von Gesichtspunkten der Fairness, der Verantwortbarkeit und der Sinnhaftigkeit in die Kauf- und Verkaufshandlungen. Für Unternehmen bedeutet dies: Abkehr von Gewinnmaximierung zugunsten eines ethisch-integrierten Gewinnstrebens. Ohne eine solche Entthronung des Gewinns ist unternehmerisches Handeln ohnehin nicht rechtfertigungsfähig.

Bereits der Verzicht darauf, alles auszunutzen, was sich ausnutzen lässt, verringert den Wettbewerb, der auf andere ausgeübt wird. Allerdings wäre es politisch naiv und brandgefährlich, die Moralisierung der Märkte ganz der Individualethik (einschließlich der Geschäftsethik) zu überantworten. Als einzelne sind wir alle Gefangene des Wettbewerbs. Dies gilt heute ja selbst für Nationalstaaten, deren Aufgabe doch eigentlich just die ordnungspolitische Einbettung und Zähmung der Wettbewerbsdynamik wäre. Doch haben die Nationalstaaten (EU eingeschlossen) sich ihre politische Souveränität nehmen lassen und an deren Stelle die Vorgabe der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit gesetzt. Eine solche „Postdemokratie“ (Colin Crouch) ist keine Demokratie mehr. Sie erscheint allenfalls noch als eine solche.

Der Schlüssel für die Begrenzung der Wettbewerbsdynamik ist der kontrollierte Abbau der gigantisch angewachsenen Vermögensbestände. Dieser hat global koordiniert zu erfolgen, weil das Kapital ansonsten dasjenige Land, welches im Alleingang die Macht des Kapitals zu beschränken sich anschickt, in die Krise schicken würde.

10 Kommentare

  1. […] Markträume zu vergrößern und den Marktzugang ausländischer Unternehmen zu verbessern, also mehr Konkurrenz zu schaffen. So wird Konkurrenzfähigkeit zu einem Kernanliegen von Staaten(bünden) mit der Folge, […]

  2. […] und wer sie nicht nutzt, gerät in Legitimationsnot, steht abseits – oder zahlt drauf. Dem Wachstumszwang der Wirtschaft entspricht ein Wachstumszwang im Privaten. Wir sind zur Erhöhung unseres […]

  3. Die „ursprüngliche“ Idee hinter dem Wettbewerb ist die der Leistungsgerechtigkeit und der optimalen Allokation von Ressourcen, an sich gute Grundsätze. Der Wettbewerb ist – wie hier richtig beschrieben – ausgeufert, allerdings teile ich die Ursachenanalyse nur zum Teil.

    Die Akkumulation von Kapital ist ein Grund, und insofern sind nicht nur die gigantischen Vermögensbestände abzubauen, sondern auch ein Wiederaufbau zu verhindern. Die Physiker Jean-Philippe Bouchaud und Marc Mézard haben im Jahr 2000 Simulationen dazu veröffentlicht („Wealth condensation in a simple model of economy“) und nachgewiesen, dass Kapital praktisch „von selbst“ zur Akkumulation tendiert. Vermögens- und Unternehmensobergrenzen sind m. E. wirksame Wettbewerbsbegrenzungen, ohne Wettbewerb zu verhindern.

    Zwei andere Punkte aber würde ich auch gerne noch erwähnen:

    Wettbewerbsverzerrungen – Ressourcenverbrauch ist die größte „unfaire Aneignung“ nicht selbst erbrachter Leistung (siehe ).

    Und der eigene Konsum, hier stellvertretend für vieles andere der Mobilfunkgebrauch: Das ist Effizienzkonsum, also eigentlich eine private Investition, die uns selbst wettbewerbsfähiger macht. Wir werden flexibler, können Produktivitätslücken (Fahrten, Fußwege) nutzen, müssen weniger planen oder können leicht umplanen usw. Allerdings ermöglicht die Verbreitung eines solchen Konsummusters der Industrie wieder ganz neue Möglichkeiten der Rationalisierung und Effizienzsteigerung, sprich: Eine Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit. Fragen Sie mal eine Familie mit zwei berufstätigen Eltern, wie sie ihren Alltag organisieren: Mit Technik. Die gesamte moderne Industriegesellschaft ist ohne die flexible, mobile Kleinfamilie gar nicht denkbar, und diese basiert ganz maßgeblich auf der modernen Haushaltstechnik und dem Auto – und neuerdings dem Mobilfunk. Wer den entfesselten Wettbewerb beschränken möchte, darf vor den sogenannten Wohltaten der modernen Technik nicht kritiklos haltmachen, zumal diese Ressourcen ohne Ende fressen.

  4. Ich lehne den Green New Deal doch gar nicht ab, sondern kritisiere ihn. Dies ist ein bedeutender Unterschied. Ich kritisiere ihn, weil er den Wettbewerb als ein neutrales Instrument begreift, was er nicht ist, was ich im Beitrag aufzeige oder jedenfalls andeute. (Begründet wird dies in den verlinkten Texten. Ich empfehle insbesondere die beiden Texte zum Stichwort „Wettbewerb“ und „Kapital“.)
    Eine umfassende Beurteilung des GND kann der knappe Text, der auch nicht darauf zugeschnitten ist, ohnehin nicht leisten. In aller Kürze sei gesagt, dass der GND die Notwendigkeit und Unbedenklichkeit des Wettbewerbs einfach reflexionsfrei voraussetzt. Man muss ja fragen: Warum nicht das Naheliegende wählen: ein Weniger an Wachstum bzw. Wettbewerb und damit auch von vorn herein an Ressourcenverbrauch und Umweltbelastung? Die Antwort dürfte darin liegen, dass man den Wettbewerb einerseits als neutrales Instrument begreift, andererseits und darüber hinaus im GND eine Art ordnungspolitischen Business Case im Großen („first mover advantage“) erblickt.
    Damit anerkennt man, dass im Wettbewerb die Wettbewerbsfähigsten und Kaufkräftigsten das Rennen machen. Was dies mit Blick auf Umweltbelastungen unter anderem bedeutet, hat Johannes Hirata, Volkswirt und Wirtschaftsethiker, hier aufgezeigt: http://www.dnwe.de/forum-wirtschaftsethik-online-2-2012.html?file=tl_files/ForumWE/2012/120725_forum%20wirtschaftsethik_2_2012_fin.pdf
    Ähnlich Daniel Kofahl im Freitag: „Der Preis ist zu heiß“.
    Dies alles bedeutet NICHT, dass man den Wettbewerb nicht als Instrument einer ökologischen Umsteuerung nutzen dürfte. Aber man sollte wissen, was man da tut. Und auf dieser Basis einen gesellschaftspolitischen Diskurs anregen. Dabei sind die beiden wettbewerbsethischen Schlüsselfragen zu klären – und nicht, wie der GND, als bereits positiv beantwortet zu unterstellen.

  5. Daniel Constein sagt am 23. März 2013

    Hallo Herr Thielemann,

    sie können gerne den Green New Deal schelten, weil er die Wachstumsfrage nicht stellt. Aber ihn abzulehnen, einfach weil er „die Märkte in den Dienst sozialer und ökologischer Entwicklung“ stellen möchte, ohne auf den Wettbewerbscharakter an manchen Stellen zu verzichten, ist ziemlich vermessen. Zumal die Hauptthese des Betrags, Märkte wieder in die Gesellschaft einzubetten, doch genau das selbe Ziel verfolgt! Die Frage „Wie weit soll die reine Marktlogik reichen?“ wird jedenfalls von keinem Green-New-Dealern als Aufforderung verstanden, den Wettbewerb in andere Gesellschaftsbereiche auszudehnen – mir persönlich ist keiner bekannt, der unsere Sozialbeziehungen, die Care-Arbeit oder die Bildung ökonomisieren möchte. Ich habe den Verdacht, dass Sie, Herr Thielemann, in einem wilden Rundumschlag alle Vertreter der ökologischen Modernisierung über einen Kamm scheren und ihnen unterstellen, dass sie einem übersteigerten Wettbewerbsgedanken huldigen.

  6. Paul Weder sagt am 22. März 2013

    Das Eigentum hat faktisch die Herrschaft über die globalisierte Welt und die Menschen darin übernommen. Nur durch eine staatlich zentralistische Befehlsgewalt auf die Wirtschaft und die Hochfinanz kann dem Problem der Umverteilung beigekommen werden. Alle Güter-, Diensleistungs-, Finanz-, Rechts-, Eigentums- und Macht-Ströme müssen wieder ein harmonisches Gleichgewicht finden können. Dies ist nur möglich durch ein zentrales Grundgesetz, in welchem die Menschenrechte an oberster Stelle stehen, oberhalb von Wirtschaft, Finanz, Eigentumsrechten, Machtanballungen und sogar oberhalb der eigentlichen Politik. Die Menschenrechte müssen für ewig unantastbar sein. Wir haben heute im postdemokratischen, kapitalistischen Verteilungssystem das genaue Gegenteil, nämlich die absolute Versklavung der Menschen durch das gewollte und gezielt gesteuerte Umverteilungsproblem.

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