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Ein Podcast über das, was zu kurz kommt

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Umweltökonomie in der Volkswirtschaftslehre? Beinahe Fehlanzeige

12 von 120 Punkten. So viele Credits habe ich in meinem Economics Master im Bereich Umweltökonomie belegen können, davon sechs an meiner Heimatuni und sechs während meines Corona-Auslandsemesters. Bald kommen die letzten 30 Punkte dazu, wenn ich meine Masterarbeit über die ökonomischen Auswirkungen der Klimakrise abgegeben habe.

Die Dringlichkeit von Klima- und Umweltschutz geht im Universitätskontext unter, zumindest an den Fakultäten für Volkswirtschaftslehre. Dabei liegen, das muss man hier niemandem erzählen, im Zusammenspiel von Klima und Wirtschaft die größten Herausforderungen und damit die größten Potentiale für nachhaltigen Wandel.

Mit dieser Erkenntnis ging ich in die Corona-gebremsten Semesterferien im Februar 2020, in denen viel Zeit blieb, um festzustellen: Ich möchte wissen, wie unsere Wirtschaft klimaneutral umgekrempelt werden kann. Denn an der Uni hat das anscheinend keinen Platz. Und ich möchte, dass mir Expert/innen aus Nachhaltigkeits- und Wirtschaftsforschung erklären, warum die vielen Ansätze, die es schon gibt – Postwachstum, Grünes Wachstum, Donut-Ökonomie, Wachstumsunabhängigkeit – nicht in der Mainstream-Ökonomie ankommen. Die Idee zu future economies war geboren. Zu einem Podcast, der sich nicht auf die Verantwortung von Konsument/innen beschränkt, sondern die Strukturen einer klimaneutralen Wirtschaft beleuchtet.

Rückblick auf 9 Monate Podcast-Projekt

Meine Mitstreiterin Sarah sieht zum Glück nicht nur den gleichen Handelsbedarf, sondern half auch, unseren Podcast „future economies“ in die jetzige Form zu gießen und zum Leben zu erwecken. Seit Kurzem ist auch Vicki mit an Bord.

Aber zurück zum Anfang: Am 27. Januar diesen Jahres war es endlich soweit: future economies veröffentlichte die erste Folge mit Felix Ekardt, der unter anderem die Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht zur Klimapolitik Deutschlands mit vorbereitet hatte. Damit waren unsere Stimmen im Internet. Neun Monate und sechs Podcastfolgen später wollen wir uns nun fragen: Was haben wir aus unseren Gesprächen mt Wissenschaftler/innen gelernt?

Die erste Folge war ein Türöffner, in dem Sinne, dass das Gespräch Akzente schaffte, wie wir an die kommenden Folgen herangehen würden. Zum einen hat Ekardts Appell „Wandel geschieht im Wechselspiel verschiedenster Akteure“ unser Selbstverständnis als Podcast geprägt: Wir wollen mit den Themen, die uns wichtig sind, selbst neue Schwerpunkte in der Klima-Debatte setzen. Zum anderen machte er darauf aufmerksam, dass die impliziten Verhaltensänderungen, die eine Paris-konforme Wirtschaftsweise erfordert, unbeliebt seien und dem Wandel derzeit entgegenständen. Aus dieser Einsicht heraus wurde es uns ein Anliegen, Argumente, die Klimaschutz als Wohlstandsverlust darstellen, zu hinterfragen. Dementsprechend stand für uns in Folge 2,3 und 4 die Frage nach Wohlstand im Zentrum.

Über Wohlstandsverständnisse und alternative Ökonomien

Welches Wohlstandsverständnis liegt der Green-Growth und der Post-Growth-Position zu Grunde? Ersteres beruht auf Wachstum durch grüne Innovation, zweiteres beruft sich auf Rebound-Effekte, die Effizienzgewinne durch höheren Konsum wieder zunichte machen, und stellt damit eine wachstumsbezogene Vorstellung von Wohlstand in Frage. Aber was ist Wohlstand, wenn es nicht „mehr kaufen können“ oder „mehr konsumieren“ bedeutet?

Mit dieser Frage traf future economies auf Ulrich Petschow in unserer dritten Folge zur Donut Ökonomie. Die Antwort: Wohlstand sollte ein Wirtschaften innerhalb planetarer Grenzen schaffen. Soziale Mindeststandards werden eingehalten während ökologische Höchstmaße nicht überschritten werden. Ein hilfreicher Ansatz, da er verdeutlicht, an welchen Stellen Klimaschutz wirklich mehr Einschränkungen zur Folge hat (Beispiel Gebäudesektor), aber auch an welchen Stellen sich Potenzial ergibt, bei dem sich ökologische und soziale Dimensionen gegenseitig bestärken (Beispiel Gesundheit oder 15-Minuten Stadt).

In Folge vier mit Irmi Seidl konzentrierten wir uns auf Wohlstand entlang einer bestimmten sozialen Dimension: Dem Sozialversicherungssystem. Denn Renten und Arbeitslosenversicherung sind darauf angewiesen, dass unsere Wirtschaft weiter wächst. In einem Postwachstumsszenario hätten wir also ein gesellschaftliches Problem, wenn wir auf diese Grundsicherung nicht verzichten wollen. Ein Ansatz dazu ist: Rentenbezüge sollten nicht nur über Erwerbstätigkeit erlangt werden, sondern auch über ehrenamtliches Engagement, durch das die Wachstumsabhängigkeit abgemildert würde.

Kein Ende der Themen in Sicht

Danach ging es weiter mit ökonomischen Modellannahmen, die wir kritisch diskutieren wollten: Wie kommt der Co2-Preis zustande? (eher ein Politikum). Wie sehr kann man sich auf negative Emissionstechnologien verlassen? (wenig). Lässt sich globaler Klimaschutz über Handelspolitik vorantreiben? (bleibt abzuwarten).

Seit Beginn der Podcastproduktion ist unsere Themenliste eher gewachsen anstatt zu schrumpfen. Kreislaufwirtschaft, Gemeinwohlökonomie, eine ganze Serie über das Finanzsystem und die Rolle privater Unternehmen sind dazu gekommen. Unsere Motivation lebt davon, wie bereichernd der Austausch bisher gewesen ist und wie groß die Begeisterung und die Bereitschaft der Wissenschaftler/innen ist, mit denen wir sprechen. Zum Zwischenfazit gehört aber auch die wichtige Lektion, wie schwierig es ist, Menschen mit unserem Podcast zu erreichen, die entschieden haben, dass sie die Klimakrise nichts angeht. Auf alle anderen wartet alle sechs Wochen eine neue future economies Folge.

Den Podcast future economies von Sarah, Henni und Vicki kann man auf Spotify, iTunes oder auf dem Blog zum Podcast anhören.

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