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Diskussion zu „Beyond growth“ – Finnische Delegation zu Gast im IÖW

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Um Fortschritte in einer Wissenschaft zu erreichen, sind Austausch und Vernetzung ein zentraler Ansatz. Während die innerdeutsche Vernetzung der wachstumskritischen Bewegung immer besser wird, findet derzeit noch wenig Kooperation auf internationaler Ebene statt – obwohl auch in vielen anderen europäischen Ländern das Interesse an der Wachstumsdebatte sehr groß ist. So auch in Finnland, wie der Besuch einer  finnischen Delegation am 7. November 2012 im Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) zeigte.

Die Gäste diskutierten mit IÖW-Wissenschaftlern zum Thema „Beyond growth“. Die Anwesenden waren Teil einer fünfunddreißigköpfigen Gruppe von EntscheidungsträgerInnen aus verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Bereichen, die sich in den nächsten fünf Monaten anlässlich eines Trainingsforums mit dem Thema „Nachhaltige Wirtschaft in Finnland“ beschäftigen. Der Besuch im IÖW war Teil einer fünftägigen Exkursion nach Berlin, die einen Einblick in die Entwicklungen im Bereich Nachhaltigkeit in Deutschland vermitteln sollte.

Den Einstieg in das Treffen bildete eine Präsentation von Ulrich Petschow, Leiter des Forschungsfeldes Umweltökonomie und Umweltpolitik am IÖW. Er gab einen Überblick  über die Entstehungsgründe der Wachstums- und Nachhaltigkeitsdebatte. Diese sind vor allem in der Wirkungslosigkeit bisheriger Umwelt- und Klimapolitik zu finden. Trotz verschiedenster Bemühungen auf allen politischen Ebenen, ein ökologisch nachhaltiges Wirtschaften zu fördern, scheinen die zentralen ökologischen Probleme – Klimawandel und die Endlichkeit der Ressourcen – nicht wirklich bewältigt werden zu  können. Globale Klimaschutzverhandlungen scheitern und sowohl freiwillige CSR Maßnahmen als auch ordnungspolitische Auflagen bringen nicht die gewünschten Effekte.

Green Growth/Green Economy vs. No-/Low-/Degrowth

Ausgehend von dieser Wirkungslosigkeit entstehen immer mehr alternative Ideen, die anstatt klassischer umweltpolitischer Maßnahmen einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel fordern. Im Moment werden dazu unterschiedliche Konzepte diskutiert. Auf der einen Seite existieren die Konzepte des Green Growth und der Green Economy, die Wirtschaftswachstum meist als Chance betrachten und durch neue Technologie ein ressourceneffizienteres Wirtschaften umsetzen wollen. Diese Strategie wird von den meisten Regierungen, der OECD und der Industrie verfolgt.

Demgegenüber stehen wachstumskritische Ansätze wie „Growth/No Growth“ oder „Degrowth“, welche ein Aufgeben des vorherrschenden Wachstumsparadigmas fordern. Denn auch mithilfe grüner Technologien wird es nicht möglich sein, die bestehenden ökologischen Probleme zu lösen.

Die notwendigen Voraussetzungen für die Umsetzung dieser gegenüberstehenden Konzepte variieren. Während im Pro-Wachstums-Ansatz vor allem die Veränderung der politischen Rahmenbedingungen und die Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch durch z.B. die Förderung von grünen Technologien im Mittelpunkt steht, benötigt ein Wandel ohne Wachstum eine Anpassung der gesellschaftlichen Institutionen, um die Abhängigkeit von wirtschaftlichem Wachstum zu reduzieren und somit Verteilungskonflikte zu vermeiden.

Wachstumsdebatte in Finnland

In der anschließenden Diskussion zogen die Teilnehmenden einen Vergleich zwischen den Entwicklungen der Wachstumsdebatte in Finnland und Deutschland. Laut einer finnischen Teilnehmerin bekunden immer mehr Nichtregierungsorganisationen und Forschungsinstitutionen in Finnland Interesse an dem Thema. Trotzdem könne noch lange nicht von einer breiten öffentlichen Diskussion gesprochen werden. So bekomme Kritik am volkswirtschaftlichen Wachstum und den damit verbundenen ökologischen Konsequenzen nach wie vor nur marginale mediale Aufmerksamkeit. Was bis heute fehlt, sei eine politische Agenda, und die Forschung befinde sich noch im Anfangsstadium.

In der Diskussion wurde für mich sehr deutlich, dass für eine Transformation in beiden Ländern vor allem die Etablierung einer solchen politischen Agenda zentral wäre. Es existieren schon zahlreiche gesellschaftliche Initiativen und Innovationen, die Möglichkeiten für eine suffizientere Lebensweise erproben wie beispielsweise Gemeinschaftsgärten oder auch Modelle, die auf Tauschen und Leihen beruhen und somit den Ressourcenverbrauch reduzieren. Politik sollte sich dieses Potential dieser alternativen Nutzungskonzepte anerkennen und mithilfe politischer Instrumente die Entstehung und Vernetzung solcher Initiativen fördern, exemplarische Projekte wissenschaftlich untersuchen und somit Möglichkeiten zu schaffen, diese auch auf andere Bereiche zu übertragen. Nur durch einen Wandel von Innen wird es möglich sein, gesellschaftliche Werte nachhaltig zu verändern – dafür müssen aber die richtigen politischen Rahmenbedingungen gesetzt werden.

Auch wenn es aufgrund sehr unterschiedlicher Vorkenntnisse und mangelnder Zeit nicht möglich war, eine tiefergehende Diskussion zu dem Thema anzustoßen, zogen alle Teilnehmenden ein positives Resümee in Bezug auf den inhaltlichen Austausch und begrüßten übereinstimmend solche Zusammenkünfte als wichtigen Bestandteil internationaler Vernetzung.

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