Standpunkte

Erweiterung der Demokratie zur Biokratie

Kommentare 1

Unsere Wirtschaftsweise hat die Grenzen der Tragfähigkeit unserer Erde in wichtigen Bereichen überschritten. Wachstum ist kein Weg. Als einer der Pioniere umweltorientierten Managements bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass Unternehmen nur dann wirklich nachhaltig wirtschaften können, wenn die Überzeugungen und die Rahmenbedingungen grundliegend geändert sowie die Rechte der Natur anerkannt werden. In dieser Weiterentwicklung der Demokratie sehe ich einen entscheidenden Schritt, um auch die Menschenrechte dauerhaft durchsetzen zu können. In diesem Zusammenhang spreche ich von Biokratie.

Erweiterte Demokratie

Die Staatsform Biokratie ist eine erweiterte Demokratie, in der nicht allein die Menschen, sondern sämtliche Lebewesen als Staatsvolk anerkannt, mit Grundrechten ausgestattet und parlamentarisch vertreten sind.
Die Entwicklung der Staatsformen von der Monarchie über die Oligarchie zur Demokratie markiert eine schrittweise Erweiterung des Kreises derjenigen, die zur staatlichen Willensbildung beitragen. Auf diesem geschichtlichen Hintergrund ist die Erweiterung der Demokratie zur Biokratie folgerichtig.
Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtssprechung sind in der Biokratie so organisiert, dass die existenziellen Interessen und Rechte nicht allein der Menschen, sondern sämtlicher Lebewesen – unter Einschluss zukünftiger Generationen – ausgewogen berücksichtigt werden.
Die Staatsform Biokratie bedeutet: Die Menschenwürde achten, sämtliches Leben in seiner Vielfalt würdigen, Leben erhalten und fördern, Wertkonflikte in gewissenhafter Abwägung entscheiden und bedrohtes Leben entschlossen verteidigen.

Biokratie als Überlebensstrategie

Die Staatsform Biokratie verwirklicht nicht nur ein ethisches Leitbild, in dem der Mensch die Natur als Partner ernst nimmt. Die Biokratie ist darüber hinaus Teil einer Überlebensstrategie für den Menschen, der gegenwärtig seine eigene Existenz durch Raubbau an der Biosphäre und an deren Artenreichtum gefährdet.
Wird unser Planet mit staatsrechtlichen Begriffen beschrieben, dann ist das Staatsgebiet die Biosphäre – im Wasser, zu Lande und in der Luft. Das Staatsvolk ist die Gesamtheit aller Lebewesen. Die Staatsgewalt ist die Evolution allen Lebens.
Die Evolution ist rechtssetzende, rechtssprechende und vollziehende Gewalt, indem sie allen lebenden Arten die Mindestanforderungen für das Überleben vorgibt, Defizite und Verstöße registriert und die Auslöschung von Arten – und sei es der Mensch – vollstreckt.
Die Erweiterung der Demokratie zur Biokratie ist also kein Gnadengeschenk des Menschen an die Evolution, sondern der Selbstrettungsversuch des Menschen, die Mindestanforderungen der Evolution für sein Überleben durch Anpassung seiner Staatsform und gesamten Rechtsordnung so gut und so rechtzeitig zu erfüllen, dass er der Auslöschung durch die Evolution zuvorkommt.

Erklärung der Rechte der Natur

Auf internationaler Ebene sind die Vereinten Nationen aufgefordert, die Erklärung der Menschenrechte durch eine Erklärung der Rechte der Natur zu ergänzen. Die Vereinten Nationen müssen Verantwortung nicht nur für alle Menschen in allen Staaten, sondern darüber hinaus für alle Lebewesen in allen Staaten übernehmen. Als weltweit sichtbares Signal sollten die Vereinten Nationen neben der Flag of United Nations eine Flag of United Nature hissen, die den Menschen als eine Art unter vielen lebenden Arten darstellt, mit denen er in Harmonie leben muss.

Seit 2012 zeichnet das HAUS DER ZUKUNFT mit dem „Biokratie-Preis“ Leistungen aus, die in besonders wirksamer Weise zu einer stärkeren Ausrichtung der Rechtsordnung an der Verantwortung gegenüber allem Leben beitragen. Preiswürdig sind neben rechtswissenschaftlichen Arbeiten auch naturwissenschaftliche, umweltpädagogische oder politische Leistungen.

1 Kommentare

  1. Daniel sagt am 17. Mai 2016

    Ich unterstütze den Anspruch der Biokratie zum Schutz der Natur. Aber mir erscheint zweifelhaft, was sich durch eine biozentrische Politik real verändern lässt – und was wir dafür aufgeben müssten.

    Umweltethisch handelt sich Biozentrik immer Widersprüche ein. Man kann zwar allen Lebenwesen Rechte zusprechen, aber man wird nicht umhinkommen, dann auch ihre Nutzung durch den Menschen zu legitimieren. Welchen Wert aber haben dann diese vorher zugestandenen Rechte für die Natur, wenn sie in Aushandlung relativiert werden können?

    Bedenklich finde ich zudem diesen Absatz: „Die Staatsgewalt ist die Evolution allen Lebens. Die Evolution ist rechtssetzende, rechtssprechende und vollziehende Gewalt, indem sie allen lebenden Arten die Mindestanforderungen für das Überleben vorgibt, Defizite und Verstöße registriert und die Auslöschung von Arten – und sei es der Mensch – vollstreckt.“
    Hier wird das Bild einer überzeitlich wirksamen Gewalt gezeichnet, die unabhängig vom Menschen politisch agiert. Tasächlich ist die Evolution ein wissenschaftliches Konzept zur Erklärung biologischer Phänomene. Ihre Gleichsetzung mit politischer Gewalt öffnet Tür und Tor für ihre Überhöhung als vermeintlichen Sachzwang. Aus der Ist-Beschreibung einer wissenschaftlichen Theorie kann aber nie eine Soll-Beschreibung (Norm) für die menschliche Welt erwachsen – der Sozialdarwinismus lässt grüßen.

    Und was heißt Biokratie dann für konkrete Aushandlungsprozesse um die Nutzung von Natur, inbesondere zwischen Menschen mit divergierenden Interessen (sagen wir: globale Nord- und Südländer)? Wer entscheidet nach welchen Kriterien?

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