Der Gleichgewichtszinssatz
Der Begriff „Gleichgewichtszinssatz“ kommt ursprünglich aus der Volkswirtschaftslehre und spielt eine zentrale Rolle bei der Geldpolitik der Zentralbank. Das ist jener Zinssatz, bei dem die aggregierten Ersparnisse (das Kapitalangebot) den Investitionen (der Kapitalnachfrage) entsprechen. In der Finanzwirtschaft hat der Gleichgewichtszinssatz eine zusätzliche Bedeutung und zwar als risikofreier Referenzzinssatz für alle Arten von Investitionen: betriebliche Investitionen, Aktien, Anteile an einer GmbH oder Genossenschaft und andere Unternehmensbeteiligungen, Immobilien, Staats- und Unternehmensanleihen, Optionen und andere Derivate. Dies verdeutlicht dessen Tragweite und umfassende Bedeutung für eine Ökonomie.
Warum spielt der Gleichgewichtszinssatz eine zentrale Rolle in Wirtschaft und Gesellschaft? Aus finanzwirtschaftlicher Sicht ist der Gleichgewichtszinssatz zunächst eine rein hypothetische Größe und repräsentiert – wie der Name schon sagt – ein Gleichgewicht auf dem Kapitalmarkt, bei dem Angebot und Nachfrage nach allen realen Anlagen übereinkommen (Aktien, Anteile einer GmbH u.a.). Der Gleichgewichtszinssatz orientiert sich an der Leistungsfähigkeit der Unternehmen einer Ökonomie, sodass diese rentabel wirtschaften und anstehende Investitionen finanzieren und durchführen können. Dieser Aspekt dürfte eine entscheidende Rolle bei der nachhaltigen Transformation der Wirtschaft spielen, denn hierfür sollten Unternehmen in der Lage sein, alle notwendigen sozialen und umweltbezogenen Investitionen umzusetzen.
Ein Beispiel
Ein Unternehmen möchte eine Solaranlage anschaffen. Die Investition hängt von der Kostenstruktur des Unternehmens ab, d. h. von Personal-, Betriebs-, Kapitalkosten usw. Der Kapitalkostensatz (cost of capital) bestimmt die Rentabilität der Investition und setzt sich aus dem risikofreien Referenzzinssatz (Euribor) und einer Risikoprämie zusammen, die das unternehmerische Risiko des Unternehmens abdeckt. Entspricht der risikofreie Referenzzinssatz dem Gleichgewichtszinssatz, dann ist der Kapitalkostensatz angemessen, die Solaranlage rentabel und kann finanziert werden. Ist der risikofreie Referenzzinssatz hingegen zu hoch, dann sind auch die Kapitalkosten zu hoch und die Solaranlage ist nicht finanzierbar. Damit wird deutlich, dass die Höhe des Referenzzinssatzes ausschlaggebend sein kann, wenn es um die betriebliche Finanzierung von Umweltinvestitionen geht.
Investitionsstau vermeiden
Dieses Beispiel macht deutlich, dass Unternehmen Schwierigkeiten haben, anstehende Investitionen zu finanzieren, wenn der aktuelle Euribor über dem (hypothetischen) Gleichgewichtszinssatz liegt. In diesem Fall kann es in einer Ökonomie zu einem Investitionsstau kommen. Es stellt sich die Frage, ob sich die Gesellschaft einen solchen Investitionsstau erlauben kann, angesichts der drängenden sozialen und ökologischen Probleme, die zu bewältigen sind und die sehr hohe Investitionen erfordern.
Die Vermeidung eines Investitionsstaus wäre schon Grund genug, den hypothetischen Gleichgewichtszinssatz möglichst genau zu evaluieren und dementsprechende geld- und wirtschaftspolitische Maßnahmen einzuleiten. Doch ein Investitionsstau wäre nicht der einzige Grund, denn ein zu hohes Zinsniveau hat für eine Ökonomie bekanntlich eine Reihe weiterer, unguter „Nebenwirkungen“:
- Teure Kredite
- Kostendruck in den Unternehmen
- Unternehmen könnten versuchen, soziale und ökologische Kosten zu externalisieren
- Unternehmen stellen CSR-Maßnahmen zurück, da schwierig zu finanzieren
- Die Umstellung von „braunen“ (umweltschädlichen) zu „grünen“ Investitionen verläuft schleppend
- Ein verschärfter Verdrängungswettbewerb
- Zunehmende Ungleichheit bei der Einkommens- und Vermögensverteilung
Auf diese Weise lässt sich vieles erklären, was die sozial-ökologischen Transformation der Wirtschaft behindert.
Krise als Chance
In einer Konjunkturkrise, wie wir sie derzeit erleben, ist der Ruf nach einer Rückkehr zu Wirtschaftswachstum in Medien und Politik unüberhörbar. Doch anstatt zu versuchen, die Krise durch Wachstum zu überwinden, sollte man vielmehr darüber nachdenken, wie der Übergang in eine Postwachstumsökonomie gelingen könnte. Der Gleichgewichtszinssatz ist dabei der zentrale Switching oder Laverage point, um die Konjunktur in einer Krise zu stabilisieren und die Wirtschaft in eine Postwachstumsökonomie zu überführen. Dafür muss zuerst der Gleichgewichtszinssatz evaluiert und anschließend durch bestimmte wirtschaftspolitische Maßnahmen in einer realen Ökonomie implementiert werden.
In einer Zeit steigender Zinsen und anhaltender Konjunkturkrise kann der Staat den Gleichgewichtszinssatz nur indirekt mit Hilfe spezieller Steuern und Subventionen implementieren. Zentrale Stellgröße ist die spezielle Vermögensteuer auf sichere Geldanlagen (Tages- und Festgeldkonten, Staatsanleihen u.a.). Für Kleinsparer/innen kann ein großzügiger Steuerfreibetrag eingeräumt werden. Flankierende Maßnahmen wären außerdem zinsgünstige Förderkredite nach strengen Nachhaltigkeitskriterien, die potenziell allen Wirtschaftsteilnehmer/innen zu Gute kommen: Haushalte, Vereine, Unternehmen, Kommunen usw.
Die spezielle Vermögensteuer könnte auf EU-Ebene eingeführt werden und die verschiedenen, nationalen Kapitalertragssteuern der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten ersetzen. Denkbar wäre ein Vermögensteuersatz von 3% bis 5% und ein Freibetrag von 100 000 €. Auf diese Weise werden Großanleger/innen in die Pflicht genommen, den Unternehmen günstig Eigenkapital zur Verfügung zu stellen, so dass Unternehmen Low-Profit Business betreiben und nachhaltige Investitionen finanzieren können. Günstige Finanzierungsbedingungen bilden eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass eine sozial-ökologische Transformation ohne Wirtschaftswachstum gelingen kann.
Bildung für nachhaltige Entwicklung
Die multiplen Krisen des 21-sten Jahrhunderts führen zu einem Gefühl der Orientierungslosigkeit und Ohnmacht in der Bevölkerung. Aufklärung tut not, möglichst mit einfachen und verständlichen Inhalten, möchte man die verunsicherten Bürger/innen für die anstehende Transformation gewinnen. Daher muss man didaktische Hilfsmittel entwickeln und anbieten, die Orientierungshilfen bieten und neue gesellschaftliche Ordnungsstrukturen anschaulich vermitteln.
Mit dem Nachhaltigkeitsschema „Matrjoschka“ lassen sich Finanzwirtschaft, Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt als ineinander geschachtelte Bereiche darstellen (Abbildung 1). Die Finanzwirtschaft bildet den Kern, denn sie spielt eine Schlüsselrolle bei der Finanzierung der verschiedenen Wirtschaftsbereiche: Haushalte, Unternehmen, Kommunen, Institutionen usw. Die Wirtschaft als Ganzes ist stets als Teilmenge der Gesellschaft zu begreifen, da Märkte immer auch der politischen Regulierung bedürfen, mit Rücksicht auf Gemeinwohlziele. Die Umwelt bildet schließlich das alles Umhüllende.
Abbildung 1:
Nachhaltigkeitsschema Matrjoschka
Die Matrjoschka interpretieren
Die Botschaft der Matrjoschka ist so gut wie selbsterklärend. Man kann diese entweder von innen nach außen interpretieren oder vice versa. Eine mögliche Interpretation schreibt den fünf ineinander geschachtelten Bereichen unterschiedliche Prioritäten zu. Die inneren Bereiche dominieren die Umliegenden: Der Gleichgewichtszinssatz dominiert die Finanzbranche, die Finanzbranche die Wirtschaft als Ganzes, die Wirtschaft die Gesellschaft usw. Bei dieser Interpretation ist allerdings Vorsicht geboten, denn eine hierarchische Rechtfertigung sollte man daraus nicht ableiten.
Die zweite Möglichkeit, die Matrjoschka zu interpretieren, betrifft die Wertigkeit der abgebildeten Bereiche. Die äußeren Bereiche könnte man als die „Wertvolleren“ bezeichnen. Demnach wäre die Umwelt das Wertvollste, was wir haben und deren Bewahrung verdient die größte Aufmerksamkeit, gefolgt von gesellschaftlichen Gemeinwohlzielen. Die Wirtschaft sollte hingegen der Gesellschaft dienen und nicht – wie in der heutigen Zeit leider zunehmend zu beobachten – das private und öffentliche Leben bestimmen. Schließlich sollte die Finanzbranche der Realwirtschaft dienen und das nötige Kapital für Investitionen vermitteln, und der Gleichgewichtszinssatz ist dabei die zentrale Orientierungsgröße.
Leitbild für eine Postwachstumsökonomie
Ist es möglich, eine Postwachstumsökonomie mit einem einfachen Schema abzubilden? Die Matrjoschka bietet sich an. So lassen sich auf einfache Art und Weise wesentliche Bezüge zwischen den Bereichen Umwelt, Gesellschaft, Wirtschaft und Finanzwirtschaft darstellen und erklären. Der Betrachtende wird animiert, sich mit der Rolle der Politik in den unterschiedlichen Bereichen auseinanderzusetzen. In der aktuellen Konjunkturkrise setzt die Matrjoschka neue Akzente und zeigt einen möglichen Ausweg aus der Krise. Die Matrjoschka zeichnet schließlich ein ganzheitliches und in sich geschlossenes Bild einer Postwachstumsökonomie, das die wesentlichen Aspekte einer künftigen Gesellschaft in sich vereint, welche die planetaren Grenzen wahrt und eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung ermöglicht.
Literatur
Fahrbach, Christian: Transformative finance. Int. J. Pluralism and Economics Education, Vol.14, No.3/4, 2023. https://www.inderscience.com/info/inarticle.php?artid=138575
Fahrbach, Christian: Postwachstum und die drohende Verteilungskrise, Blog Postwachstum des IÖW, Oktober 2019. https://www.postwachstum.de/postwachstum-und-die-drohende-verteilungskrise-20191015
Guten Tag Herr Fahrbach,
ihren Artikel finde ich interessant, vor allem da hier wieder belegt wird wie schädlich der Status Quo Zinssatz oder hoher Geleichgewichtszins für die ökologische Wende ist.
Bei Ihrer korrekten Analyse der problematischen Zusammenhänge mit einem hohen Gleichgewichtszins fällt mir Ihr Lösungsvorschlag ins Auge.
Hier ist im Grunde nur die Rede von einer Vermögenssteuer.
Halten Sie das alleine für ausreichend?
Wäre es nicht besser an der analysierten Problemstellung „hoher Gleichgewichtszins“ und dessen Ursachen anzusetzen?
Haben Sie schon mal von Silvio Gesell und seiner Freiwirtschaft und dessen modernen Ableger der Fairconomy gehört?
Hier wird eine Marktwirtschaft ohne Kapitalismus und ohne Wachstumszwang (der ja Renditeorientiert aus dem Gleichgewichtszins entspringt, wie Sie ja auch passend beschreiben) angestrebt und damit eine Postwachstumsökonomie ermöglicht.
Die essenzielle Maßnahme hier ist eine Haltgebühr auf Geld (Liquiditätshaltegebühr nach Keynes). Diese Maßnahme wirkt den von Ihnen erwähnten Problemen wie folgt entgegen:
– Kredite werden günstig
– senken der Unternehmenskosten
– die Finanzierungsmöglichkeiten der Unternehmen erhöhen sich
– die Investitionen für grüne Inventionen werden frei, auch bei niedrigen Renditeerwartungen
– die Wettbewerbsvielfalt nimmt zu
– die Arbeitseinkommen nehmen zu und die Vermögenseinkommen (Kapitaleinkommen) nehmen ab
– kein Renditezwang und somit nur noch bedarfsorientiertes Wachstum und kein Wachstumszwang
Hier bei ist als unentbehrliche Ergänzung eine Bodennutzungssteuer zusätzlich notwendig, um die Kapitalfluch in den Boden als Spekulationsobjekt zu vermeiden.
Das ist ebenso einfach umzusetzen wie Ihr Vorschlag der Vermögenssteuer und existiert in manchen Bundesländern bereits.
Diese beiden Maßnahmen alleine ermöglichen allerdings noch keine garantierte ökologische Wende, kommen dafür aber der Postwachstumsökonomie sehr nahe.
Als Ergänzung, um eine ökologische Wende zu garantieren, können gezielte Ressourcensteuern mit einer Pro-Kopf-Rückverteilung einfach und sozial unbedenklich eingeführt werden.
Hier eine Erklärung:
https://inwo.de/ressourcen/ein-grundeinkommen-aus-abgaben-fuer-die-nutzung-der-naturressourcen.html
Betrachten Sie meine Vorschläge hier bitte als Ergänzung zu Ihren Analysen und Ansetzen zu einer Postwachstumsökonomie und der ökologischen Wende.
Ich halte es für sinnvoll und notwendig hier gedankliche Brücken zu bauen.
Mit freundlichen Grüßen
Bastian Kranz
Silvio Gesell scheitert an der Definition von Bargeld.
Definition (1): Bargeld sind Münzen, Banknoten und Girokonten, solange sie Zahlungszwecken dienen (umlaufendes Bargeld).
Definition (2): Einen Koffer voll mit Geldscheinen oder höhere Beträge auf Girokonten, z. B. wenn sie mehrere Monatsgehälter übersteigen, erfüllen keine Zahlungszwecke und sind damit gemäß Definition (1) auch kein Bargeld, sondern Geldanlagen.
Nun schlägt Silvio Gesell eine Steuer auf Bargeld vor. Das macht keinen Sinn, da das in Definition (1) definierte Bargeld ja per definitionem Zahlungszwecken dient und damit per se umläuft. Eine Steuer auf Geldanlagen macht hingegen steuertheoretisch Sinn. Darunter fallen gemäß Definition (2) auch Banknoten und Girokonten ab einem bestimmten Freibetrag. Die Schlussfolgerung lautet, dass eine Steuer mit Lenkungsfunktion nur an Geldanlagen anknüpfen kann, aber niemals am umlaufendenden Bargeld.
Eine Bodennutzungssteuer und andere Öko-Steuern macht hingegen Sinn, und das sollte man im Auge behalten.
Es ist schade, wenn die Gebühr auf Zentralbankgeld nicht als ein Instrument verstanden wird, das Auswirkungen auf alle „Geldanlagen“ hat. Steuern auf Geldanlagen sind retrospektiv und setzen bei den ständig wachsenden Geldanlagen an. Die politische Macht der Halter der Geldanlagen verhindert, dass dies besonders erfolgreich ist. Auf keinen Fall verhindern diese Steuern das weitere Anwachsen der Geldanlagen durch Zins und Zinseszins, wodurch zusätzlicher Wachstumsdruck entsteht. Die Gebühr auf Zentralbankgeld ist prospektiv und verhindert, dass die Zugewinne der Geldanlagen überhaupt erst entstehen. Was nicht entsteht, braucht auch nicht abgeschöpft zu werden. Nur mit einem Zinssatz und Kapitalgewinnen um 0% kann auf Dauer eine vom Wachstum befreite Wirtschaft entstehen.
Die Verzinsung einer Geldanlage berechnet sich als Summe aus dem risikofreien Referenzzinssatz und einer Liquiditätsprämie (je nach Laufzeit der Anlage). Die Besteuerung von Zentralbankgeld hätte darauf also keinen Einfluss. Das „Anwachsen der Geldanlagen durch Zins und Zinseszins“ kann man nur durch eine spezielle Steuer auf sichere Geldanlagen verhindern. Dazu ein Beispiel: Euribor = 3%, Vermögensteuer auf sichere Geldanlagen = 5%, Liquiditätsprämie = 2%, dann berechnet sich für steuerpflichtige Anleger der Zinssatz nach Steuern approximativ nach der Formel: 3% – 5% +2% = 0%.
Um die Kapitalrenditen von realen Anlagen (Aktien, Anteile einer GmbH, Immobilien usw.) gegen Null gehen zu lassen, bräuchte es negative Zinsen (nach Steuern), da Investoren bei realen Anlagen stets eine Risikoprämie mit einkalkulieren, in etwa zwischen 2% und 5%, je nach Risiko der entsprechenden Anlage.
Zwei Anmerkungen:
Ein zu hoher Gleichgewichtszinssatz verhindert derzeit sicherlich Investitionen in den sozial-ökologischen Wandel. Gleichzeitig verhindert er derzeit aber sicherlich auch zum Teil Investitionen in Projekte, welche die planetaren Grenzen weiter überschreiten würden. Noch können Unternehmen mit sehr hohen negativen externen Effekte ihre Gewinne privatisieren. Die verursachte Schäden zahlt jemand anders. Die Annahme, alle Unternehmen würden gerne in „grüne“ Technologien investieren und werden wegen den zu hohen Zinsen in „braune“ Technologien gedrängt, hält keinen Realitätscheck stand. In der zurückliegende Niedrigzinsphase hat die Transformation ja nicht statt gefunden.
Aus meiner persönlichen Sicht ist die Sorge von einem zu hohen Gleichgewichtszinssatz erst dann relevant, wenn alle Unternehmen durch gesellschaftliche/staatliche Rahmenbedingungen nur noch Investitionen in Richtung sozial-ökologischen Wandel betreiben könnten. Etwa die begrenze natürliche Quellen und insbesondere Senken für Ressourcen bzw. Emissionen durch effektive Maßnahmen gesamtgesellschaftlich eingehalten werden müssen.
Gleichwohl gibt es ein Szenario, bei welchem das Thema sehr relevant werden kann: In diesem Szenario ändert sich der individueller Lebensstil der globalen Oberschicht langsamer als durch Umweltgesetzgebung der Ressourcenverbrauch begrenzt wird. Das Angebot wird verknappt. Die Nachfrage senkt sich jedoch nur langsam. Dies führt zu steigenden Preisen für Energie, Lebensmittel, Urlaubsreisen, … letztlich zu Inflation nach heutiger Definition. Dadurch könnte sich die EZB gezwungen sehen, die Inflation mit Leitzinserhöhungen entgegen zu steuern. In diesem Szenario sind die Befürchtungen des Artikels sehr relevant.
Der Gleichgewichtszinssatz kann nicht „zu hoch“ oder „zu niedrig“ sein. Es gibt in der Theorie nur einen Gleichgewichtszinssatz. Dieser spiegelt die Leistungsfähigkeit der Realwirtschaft wider (siehe Black, F.: Capital market equilibrium with restricted borrowing. In: The Journal of Business, 1972, S. 444-455). Eine ökonomische Schieflage entsteht dann, wenn das aktuelle Zinsniveau, das durch den Leitzins der Zentralbank vorgegeben wird, höher als der „wahre“ Gleichgewichtszinssatz ist. Allerdings stellt die empirisch-ökonometrische Evaluierung dessen eine besondere Herausforderung dar.
In dem Punkt haben Sie allerdings völlig recht, dass der Staat mit der Implementierung des Gleichgewichtszinssatz zunächst „nur“ für ein günstiges Investitionsklima sorgen könnte, aber noch keinen direkten Einfluss darauf hätte, ob es letztlich „grüne“ oder „braune“ Investitionen sind. Dazu braucht es weitere flankierende Maßnahmen: Umweltauflagen, Förderkredite nach strengen Richtlinien etc.