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Das Gute Leben für Alle

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In „Das gute Leben für Alle – Wege in eine solidarische Lebensweise“ widmet sich das Autor*innenkollektiv I.L.A neuen Lebensstilen und Wirtschaftsformen, welche nicht auf Kosten von anderen und Natur gehen – einer solidarischen Lebensweise also.

In Vorwort und Einleitung wird zunächst die Problemlage skizziert, die eine imperiale Lebensweise mit sich bringt, welche auf Ausbeutungsstrukturen beruht. Im Alltag spielt für jede/n das „gute Leben“ eine große Rolle, im öffentlichen Raum jedoch kommt dieses Prinzip kaum vor. Lösungsansätze, die aus rechten und neoliberalen politischen Lagern kommen sind laut den Autor/innen keine echten Lösungen. Mit dem Buch soll eine neue Geschichte erzählt werden: „Die Geschichte von einer Gesellschaft, in der Wohlstand mit Lebensqualität und Zeit, Verbundenheit und Kooperation von Menschen und Mitwelt, Genuss und Muße sowie sozialer Gerechtigkeit gleichgesetzt ist. Die Geschichte eines Guten Lebens für Alle“.

In Teil 1 des Buches wird eine „solidarische Lebensweise“ vorgestellt. Zunächst werden die folgenden Prinzipien, sogenannte „Konturen“ beschrieben. Die Demokratisierung meint nicht ein politisches System, sondern die Möglichkeit zu Teilhabe und Partizipation für alle. Die Dependenz manifestiert die Verbundenheit zwischen Menschen und Natur. ReProduktion sieht vor, dass alle Leben erhalten, entfalten und Beziehungen pflegen. Das Commoning versteht sich auf eine gemeinschaftliche Erzeugung, Pflege und Nutzung von Produkten und Dienstleistungen. Zu guter Letzt sorgt die Suffizienz für den Gegensatz der imperialen Wachstumslogik und fordert genug für alle statt immer mehr für wenige. Dies sind die Schlagwörter, die die Grundlage für eine solidarische Lebensweise bilden. Anhand von kurzen Abschnitten und Abbildungen werden diese Konturen dem/der Leser/in nahegebracht.

Im Anschluss daran wird in die solidarische Lebensweise eingeführt. Hier liegt der Fokus auf den Lebensbereichen Sorge, Ernährung und Landwirtschaft, Mobilität, Wohnen, Gebrauchsgüter und Energie. Anhand von bereits gelebten Alternativen in diesen Lebensbereichen wird dem/der Leser/in aufgezeigt, wie Solidarität tatsächlich gelebt werden kann. Für den Bereich Sorge etwa werden Projekte vorgestellt, bei denen die Selbstbestimmtheit Basis für eine solidarische Sorge ist. Grundlage ist die Ansicht, dass Menschen an Entscheidungen, die ihr Leben betreffen auch beteiligt sein sollten. Auch für Menschen, die in der Sorge tätig sind, wird eine andere Anerkennung angestrebt. Würde die Sorge als die zentrale gesellschaftliche Säule angesehen, die sie ist, würde der Mensch im Zentrum stehen anstatt des Profits. Durch die Covid-19-Pandemie, die 2020 die ganze Welt erschüttert hat, rückt der Lebensbereich Sorge nochmal mehr ins Zentrum der öffentlichen Debatte. Im dritten Abschnitt des ersten Teils werden Rahmenbedingungen vorgestellt, die es solidarischen Projekten ermöglichen würden, größer und für alle lebbar zu sein. Zum einen geht es um alternative Wirtschaftsweisen wie beispielsweise Genossenschaften. Zum anderen geht es auch um politische Teilhabe und politische Entscheidung in Rätesystemen anstatt in einer repräsentativen Demokratie.

Teil 2 des Buches skizziert Wege in die solidarische Lebensweise. Es wurden bereits solidarische Projekte in verschiedenen Lebensbereichen vorgestellt, welche bisher aber nur in Nischen existieren. Die imperiale Normalität soll herausgefordert werden. Sie „kann in Krisenzeiten ihr Versprechen auf ein Gutes Leben (auf Kosten anderer) immer weniger glaubhaft vermitteln und ihre Hegemonie wird brüchig“. Auch das zeigt sich einmal mehr in der aktuellen Covid-19-Pandemie, beispielsweise bei dem Thema Impfstoffe. Die Forschung dazu wird vor allem staatlich und daher mit Steuergeldern finanziert. Die Kontrolle über die Produktion des Impfstoffes haben nun allerdings wenige Pharmakonzerne, was einen zügigen Impffortschritt und die globale Verteilung erschwert. Das I.L.A Kollektiv fragt, „wo [sich] die Möglichkeit [ergibt] einen kleinen Riss in der imperialen Lebensweise zu einem Bruch zu weiten“ und rät zum Austausch über Visionen und Strategien der Transformation. Auf diese Weise könnten Vernetzungen entstehen und eine solidarische Lebensweise Realität werden.   

Zwar wurde das Buch schon 2019 veröffentlicht, durch die aktuelle Pandemie sind aber, wie bereits angerissen, viele Punkte in die aktuelle Debatte gerutscht und das Buch damit umso relevanter. Vor dem Hintergrund einer Pandemie kommt der Solidarität untereinander eine große Bedeutung bei und alternative Lebensweisen werden immer wichtiger. 2020 haben viele Menschen sich beispielsweise dazu entschieden regionale Gemüsekisten zu beziehen, statt in großen Supermärkten einzukaufen (Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V.: 2021).

Das Buch kann als Informationstext gelesen werden, hat aber gleichzeitig das Potenzial als Ratgeber zu animieren um sich Netzwerken und Gruppen anzuschließen und Utopien schon heute zu leben.

Das Kollektiv nutzt im Buch grundsätzlich eine einfache und zugängliche Sprache. Gleichsam ist der Text jedoch mit einer Vielzahl von Fachbegriffen gespickt, welche im Glossar erklärt werden. Durch die für manche Leser/innen benötigte Nachschlagearbeit verliert der Text somit leider etwas an Zugänglichkeit.

Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. (2021): Branchenreport 2021. Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Berlin.

I.L.A. Kollektiv (2019): Das Gute Leben für Alle – Wege in eine solidarische Lebensweise. München: oekom Verlag.

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