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Das Gleiche in Grün?

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Urban Greening in Brooklyn

Auf den stillgelegten Hafenanlagen entlang des Ufers des East River in New York entsteht der Brooklyn Bridge Park. Über 2 Kilometer erstreckt sich die Grünanlage mit Sport- und Freizeitangeboten und bester Aussicht auf die Skyline von Manhattan. Etwas weiter südlich im Herzen Brooklyns liegt der Prospect Park, ein beliebtes Ausflugsziel für Familien. Auch hier hat sich in den letzten dreißig Jahren einiges getan. Eine groß angelegte Umgestaltung verhalf dem Park seinen gefährlichen Ruf abzulegen. Brooklyn ist grüner geworden – und teurer. Könnte es also sein, dass die Entwicklung einer grünen Infrastruktur die Gentrifizierung Brooklyns befeuert hat?

Stadtgrün macht Großstädte nachhaltiger, lebenswerter und klimaresilienter. In dem Buch „Green Gentrification“ geht es darum, was passiert, wenn Grünflächenplanung auf die ungesteuerte Dynamik der Immobilienmärkte trifft. Brooklyn ist mittlerweile zum Sinnbild geworden für die Verdrängung einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen aus den Innenstädten von Metropolen. Kenneth Gould und Tammy Lewis, Soziolog/innen am New York/ Brooklyn College, beleuchten deshalb am Beispiel dieses New Yorker Stadtteils die sozial-ökonomischen Auswirkungen grüner Stadt- und Freiflächenplanung.

Ökologische Aufwertung und Verdrängung

In den ersten zwei Kapiteln des Buches entwickelt das Autorenduo die Grundzüge des Konzeptes der Green Gentrification. Wie in den beschriebenen Beispielen werden dabei Stadtteile durch Umweltmaßnahmen aufgewertet und somit attraktiv für finanzstarke Haushalte („greening richens“). Immobilien- und Mietpreise steigen („greening raises rents“) und einkommensschwache Bewohner/innen müssen wegziehen, womöglich in Stadtquartiere mit einem schlechteren Zugang zu Umweltgütern. Sozialräumliche Entmischung und Verdrängung sind die Folge („greening whitens“). Ganz unabhängig von der ursprünglichen Absicht der Begrünungsmaßnahmen würden durch diese Dynamik wohlhabende, statushohe Bevölkerungsgruppen von der intakten städtischen Umwelt profitieren.

Gerade wenn Investoren gezielt Umweltprojekte fördern, um einen Wohnstandort aufzuwerten, sprechen Gould und Lewis von der „appropriation of the economic values of an environmental resource by one class from another“ (S. 25). Im Kern ist Green Gentrification also eine Form der Umverteilung „von unten nach oben“, in der nicht nur der ökologische Nutzen von Stadtnatur, sondern auch der finanzielle Mehrwert gestiegener Immobilienwerte umverteilt wird. Wie der Untertitel „Urban sustainability and the struggle for environmental justice“ verrät, suchen die Autor/innen hier Anschluss an den US-amerikanischen Diskurs der Umweltgerechtigkeit. Dabei geht es darum, wie sich Diskriminierung und soziale Ungleichheit in einer ungerechten Verteilung von Umweltgütern und Umweltbelastungen niederschlägt.

Das Recht auf eine grüne Stadt

An vier Fallbeispielen aus Brooklyn wird die ökonomische Inwertsetzung städtischer Umwelt im Spannungsfeld von Gentrifizierung illustriert (Kapitel drei bis sechs). Ausgehend von den unterschiedlichen Szenarien skizzieren Gould und Lewis im Abschlusskapitel einen sozialverträglichen Weg, um Städte grüner zu machen. Prospekt Park und der Brooklyn Bridge Park wurden ohne Berücksichtigung sozial- und wohnungspolitischer Aspekte geplant. Anders war es bei Begrünungsprojekten an der Greenpoint-Williamsburg Waterfront und dem Sunset Park. Hier schlossen sich Anwohner/innen zusammen und erwirkten, dass in den Entwicklungsplänen auch die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und die soziale Lage ihrer Nachbarschaften berücksichtigt wurde.

Die Handlungsempfehlung der Autor/innen richtet sich deshalb in erster Linie an die Bewohnerschaft von Stadtteilen, die ökologisch aufgewertet werden: Die vernachlässigte soziale Dimension von Begrünungsvorhaben und Freiflächenplanung müsse eingefordert werden. Bei ökologischen Projekten müsse immer zuerst in den Blick genommen werden, wie günstiger Wohnraum gesichert werden kann. Betroffene sollten sich organisieren und sich gegenüber kommunalen Entscheidungsträger/innen für den sozialen Zusammenhalt ihrer Nachbarschaft einsetzen – Umweltgerechtigkeit als Kernforderung für bezahlbaren Wohnraum in der grünen Stadt.

Gould und Lewis plädieren für einen gemeinschaftlichen Urbanismus, ähnlich wie ihn die „Recht auf Stadt“-Bewegung fordert (Seite 159). Sie tritt dafür ein, dass alle Menschen die Möglichkeit haben, die Stadtpolitik aktiv mitzugestalten und an den Vorzügen des urbanen Lebens teilzuhaben. Wie wäre es also mit einem „Recht aller auf eine grüne Stadt“, ganz im Sinne der Umweltgerechtigkeit?

Umweltgerechtigkeit in der wachsenden Stadt

„Green Gentrification“ bietet eine neue Perspektive auf städtische Nachhaltigkeit. Die Fragen, die das Buch aufwirft, sind besonders deshalb für den Postwachstumsdiskurs relevant, weil sie sich mit den Widersprüchen einer wachstumsorientierten Stadtplanung beschäftigen. Die Autor/innen formulieren hier eine deutliche Kritik des grünen Wachstums. Eine „urban green growth coalition“, privat-öffentliche Partnerschaften aus Politik und Immobilienwirtschaft, könne ökonomischen Nutzen aus Umweltproblemen ziehen. Urban Greening folge einer Wachstumslogik, die die soziale Dimension der Nachhaltigkeit außer Acht lässt und soziale Ungerechtigkeit (re)produziert.

Anders als in den USA wurde Umweltgerechtigkeit im städtischen Raum in Deutschland bislang eher in Forschung und Wissenschaft thematisiert. Verschiedene Pilotprojekte untersuchen die gesundheitlichen Belastungen einer sozial-räumlich ungleichen Verteilung von Umweltgütern in deutschen Kommunen und Städten und entwickeln Strategien zur Umsetzung der umweltbezogenen Gerechtigkeit. Berlin hat mit dem Umweltgerechtigkeitsatlas sogar ein eigenes Monitoring-Konzept für die kleinräumliche Analyse von Umweltnutzen und -lasten hervorgebracht. Langsam findet das Thema auch Einzug in die Politik und wird prominenter diskutiert. Lewis und Gould zeigen jedoch eindrücklich, dass jegliche politische Zielsetzung, einkommensschwache Bevölkerungsgruppen mit Umweltgütern zu versorgen, durch die Entwicklung der Immobilienmärkte auf den Kopf gestellt werden kann.

Auch wenn New York ein extremes Beispiel für Gentrifizierungsprozesse darstellt, sind die Beobachtungen und Empfehlungen des Buches zentral für den sozialgerechten und ökologischen Umbau von Städten in Deutschland und weltweit. Das macht „Green Gentrification“ zu einer wichtigen und sehr lesenswerten Ergänzung zum wachsenden Bestand an Literatur über die soziale Dimension der Nachhaltigkeit und den gerechten Zugang zu Umweltgütern.

 

Gould, Kenneth A. und Tammy L. Lewis: Green Gentrification. Urban sustainability and the struggle for environmental justice. 2017. Routledge, New York, 182 Seiten.

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