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Charta für Holz: Stolper- statt Meilenstein

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Bundesminister Christian Schmidt stellte am vergangenen Mittwoch die auf der Agrarministerkonferenz 2016 beschlossene Neuauflage der Charta für Holz 2.0 vor. Zielsetzung sollte es eigentlich sein, den Klimaschutzbeitrag der Forst- und Holzwirtschaft mithilfe von nachhaltiger Forstwirtschaft und Holzverwendung zu stärken.

Angesichts des in den letzten 20 Jahren bereits um mehr als 100 % gesteigerten Holzeinschlags, wovon heute über 50 % direkt als Brennstoff genutzt werden, und der seit 1990 drastisch reduzierten CO2-Senkenwirkung des deutschen Waldes ist die Absage des Ministers an einen behutsameren Umgang mit den Wäldern unverständlich: «Forderungen nach Verringerung der Waldnutzung und Holzverwendung erteile ich eine klare Absage». Stattdessen sieht die Charta für Holz 2.0 vor, die natürliche Produktivität der Wälder etwa mithilfe der Einbringung von nicht standortheimischen Douglasien in natürliche Buchenwaldgesellschaften zu steigern. Diese und andere offene Widersprüche zur nationalen Biodiversitätsstrategie (z. B. NWE5) bleiben unbeachtet. Die Ernsthaftigkeit der geforderten verstärkten Kaskadennutzung knapper Rohstoffe in der Holz- und Papierwirtschaft stellt sich hingegen schon angesichts der Tatsache, dass nicht einmal für den Druck des Dokuments selbst Recycling-Papier verwendet wurde, in Frage.

Wird der Holzeinschlag, wie in der Waldstrategie 2020 vorgesehen, weiter gesteigert, könnte der Wald jedoch schon bald von einer natürlichen CO2-Senke zu einer CO2-Quelle werden. Auch angesichts der 2016 gestiegenen Emissionen in Deutschland erscheint das schlichte Paradigma „Es gilt, endliche, knapper werdende fossile Ressourcen zu schonen und durch erneuerbare Rohstoffe und Materialien zu ersetzen“ dem Problem eines unbegrenzten Wachstums in einer begrenzten Welt nicht annähernd gerecht zu werden.

Deshalb bleibt zu erwarten, dass auch die Neuauflage der Charta für Holz 2.0 weniger ein „Meilenstein im Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung“ wird als ein weiterer Stolperstein oder gar ein an den Hals gelegter Mühlstein.

3 Kommentare

  1. Tobias Schlicker sagt am 14. Mai 2017

    Eine wichtige Zahl sehe ich auf Folie 10 des verlinkten Vortrages von Herrn Riestenpatt:

    Laut seiner Modellrechnung deckt energetisch genutztes Holz im Jahr 2015 „nur“ knapp 2% des Primärenergieverbrauchs in Deutschland!

    Bei ihm auf Basis von ca. 35 Mio m³/Jahr; er schreibt 1,68%, was ich jedoch bei den Ausgangszahlen übertrieben genau finde. Diese groben Zahlen zeigen jedoch, dass selbst bei der Nutzung des vollständigen Zuwachses im deutschen Wald (121,6 Mio m³/Jahr laut Bundeswaldinventur 3), unser aktuellen Energieverbrauch jenseits einer Größenordnung liegt, die unsere Wälder leisten können. Natürlich kommen da noch andere Energiequellen hinzu, doch selbst der reine Holzverbrauch ist bereits höher (150 Mio m³/Jahr) und in den letzten Jahren gewachsen (siehe Mantau).

    Womit wir beim Thema des Bloges wären… an einer Reduktion des Verbrauches kommen wir nicht vorbei.

    Viele Grüße,
    Tobias Schlicker

  2. Lieber Herr Gorning,

    laut Statistischem Bundesamt wurden 2016 „9,4 Millionen Kubikmeter – das entspricht 18 % des gesamten Holzeinschlags“ – als Energieholz genutzt. Das Zentrum für Holzwirtschaft der Universität Hamburg kommt in seiner Holzrohstoffbilanz Deutschland siehe MANTAU, U. (http://literatur.ti.bund.de/digbib_extern/dn051281.pdf) zu einem anderen Ergebnis. Laut dieser Studie wurde seit 2010 in Deutschland erstmals mehr Holz energetisch (50,6 %) als stofflich genutzt. Auch wenn dieser Anteil nicht unmittelbar aus dem diesjährigen Holzeinschlag stammt, wird in der mehrjährigen Analyse deutlich, wo das geerntete Holz über kurz oder lang landet. Auch der Vorsitzende des FSC Deutschland, Dirk Riestenpatt, zitierte auf dem 37. Winterkolloqium der Uni Freiburg 2017 folgende von den Werten des Statischen Bundesamts deutlich abweichenden Holzmengen: „Nutzung von Holz in Deutschland ca. 150 Mio m3/a, Einschlag in Deutschland ca. 70 Mio m3/a, Verwendung für energetische Nutzung in 2015 ca. 35 Mio m3/a“ (vgl. http://www.winterkolloquium.uni-freiburg.de/WK-Vortraege/2017/riestenpatt).

    Viele Grüße
    Stephen Wehner

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