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„Cargo makes the world go down“

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Proteste beim Weltverkehrsforum in Leipzig

„Das International Transport Forum“ ITF (deutsch; Weltverkehrsforum) ist eine zwischenstaatliche Organisation für Verkehrspolitik. Es ist organisatorisch an die OECD angegliedert, in seiner Governance aber autonom. Das ITF versteht sich als verkehrspolitischer Thinktank und weltweite Kommunikationsplattform des Verkehrswesens. Das ITF richtet den jährlichen Weltgipfel der Verkehrsminister aus, der seit 2008 in Leipzig stattfindet und als „Davos des Verkehrs“ bezeichnet worden ist. Als neutrale Vermittlungsinstitution will es nach eigenen Angaben den Dialog zwischen Regierungsvertreter*innen und Interessenvertreter*innen aus Wirtschaft, Forschung und Gesellschaft fördern. Als Leitwerte gibt das ITF Transparenz und öffentliche Zugänglichkeit an; das Motto der Organisation ist „Global dialogue for better Transport“. Soweit Wikipedia. 

Was dieser „bessere Transport“ sein soll, ist natürlich umstritten. Zum diesjährigen ITF-Treffen vom 18.-20. Mai in Leipzig haben Attac, Robin Wood und das Klimacamp Leipzig zu Protest unter dem Motto „Cargo makes the world go down“ aufgerufen. Im Fokus unserer Kritik lag der weltweite Güterverkehr. 

Die Deregulierung des Welthandels und neoliberale Globalisierung von Wertschöpfungsprozessen hat zu einer überproportionalen Zunahme des weltweiten Güterverkehrs geführt. Von 1960 bis 2008 erhöhte sich die weltweite Warenproduktion auf das 5,8-fache, während der
Warentransport im selben Zeitraum sogar dreimal so stark stieg. Inzwischen hat sich die Dynamik abgeschwächt, und der Warentransport steigt nur noch parallel zur Warenproduktion. Angeheizt wurde diese Entwicklung durch die fortschreitende internationale Arbeitsteilung und damit verbunden Auslagerung von arbeitsintensiver Produktion in “Billiglohnländer”, durch die niedrigen Kosten für fossile Kraftstoffe und niedrigen Gehälter im Transportbereich. 

Da wir wissen, dass der Verkehr zu den klimaschädlichsten Sektoren überhaupt gehört und zur Verhinderung einer Klimakatastrophe eine massive Reduktion von Verkehr nötig ist (E-Mobilität rettet uns da nicht), muss dieser globale Warentransport radikal eingeschränkt werden. 

Dazu gehört die Verringerung der globalen Arbeitsteilung auf ein notwendiges Maß, die Regulierung des internationalen Handels unter ökologischen und sozialen Gesichtspunkten und verstärktes regionales Wirtschaften. Regionalisierung reicht aber nicht aus. Nicht alles, was weltweit produziert wird, ist nützlich. Generell sollte in einem demokratischen Prozess ausgehandelt werden, was, wie und wo produziert und wie es verteilt werden soll. Überflüssige und schädliche Produktion wie Rüstung, industrialisierte Landwirtschaft und Luxusgüter wie schwere Autos für den Individualverkehr kann abgebaut oder mindestens stark reduziert werden. 

 Interkontinentaler Transport wird verstärkt über die Luft abgewickelt. Der Frachtflughafen Leipzig-Halle ist dabei ein bedeutendes Drehkreuz, betrieben von DHL. Nachdem Brüssel aus Rücksicht auf Anwohner als Standort abgelehnt hatte, wurde Leipzig systematisch zum klimaschädlichsten Flughafen Deutschlands ausgebaut. Die Pläne gehen weiter, der Widerstand der Anwohner*innen besonders gegen die zunehmenden Nachtflüge auch. Nachts zu landen ist dabei Teil der Just-in-Time-Philosophie, die inzwischen auch den interkontinentalen Versand umfasst: An einem Tag in Asien versenden, nachts in Leipzig ausladen und am anderen Tag in Deutschland ausliefern ist das Ziel.  

Das Ausliefern erfolgt größtenteils per LKW. Straßengüterverkehr ist jedoch die klimaschädlichste Transportart. Bei einer Tonne Fracht pro Kilometer werden 112 Gramm Triebhausgase ausgestoßen – gegenüber 18 Gramm bei Bahntransport. Als Attac fordern wir daher unter dem Motto „Zeug in den Zug“, den verbleibenden Güterverkehr konsequent auf die Schiene zu verlagern. Voraussetzung – wie beim Personenverkehr auch – ist ein schneller Ausbau des Schienennetzes. Um Fracht aufs Schiff und auf die Schiene zu bringen, müssen zudem klimaschädliche Subventionen von Kerosin und Diesel unverzüglich gestoppt werden. 

 Was hat das ITF konkret zu bieten? „Auf dem Gipfel 2022 wird untersucht, wie innovative Technologien und Geschäftsmodelle im Verkehrssektor soziale Inklusion ermöglichen und gleichzeitig ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum fördern können“ hieß es vorab. Über Ergebnisse ist im Nachhinein wenig zu erfahren. Für die Mobilitätswendebewegung aber ein willkommener Anlass, das Thema Güterverkehr in die Öffentlichkeit zu bringen. Haben wir getan. 

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