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„Bauer unser“

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von den Wachstumsschmerzen der Landwirtschaft

Vergangenen Mittwoch wurde der österreichische Dokumentarfilm „Bauer unser“ von Robert Schabus erstmalig gezeigt. Ich überredete eine gute Freundin (eine, die mal keinen Öko-Hintergrund hatte), mich ins Kino zu begleiten. So setzten uns in einen kleinen Kinosaal in Berlin.

Inhaltlich reiht sich das Werk ein in eine Folge von Dokumentarfilmen wie „10 Milliarden“, „Food, Inc“ oder „We Feed The World“, und thematisiert werden die bekannten gravierenden Probleme: von der Industrialisierung und dem Höfe-Sterben über Monokulturen, Pestizide und Antibiotika bis hin zu Sojaanbau, Landraub und Lebensmittelverschwendung.

Der Film ist schlicht gehalten: Landwirte und Bäuerinnen, sowie verschiedene Akteure aus dem Kontext der Landwirtschaft erzählen, keine Erzählerstimme kommentiert die Aussagen. Zwischendurch werden Fakten eingeblendet. Durch den geschickten Zusammenschnitt von konträren Bildern und Fakten wird die Schizophrenie der Branche offenbar: Aufnahmen von industriellen Produktionshallen, Massentierhaltung und Monokultur wechseln sich ab mit kleinen idyllischen Bio-Bauernhöfen. Friedrich Grojer, konventioneller Milchbauer, konstatiert: „Der Zwang zum Wachsen erfasst jetzt auch die letzten. Der Druck ist groß.“. Ewald Grünzweil, Milch-Biobauer, meint: „Der Milchmarkt bricht zusammen und es redet niemand davon, dass wir die Milchmenge reduzieren müssen – kein Politiker, keine Molkerei, keine Genossenschaft. Wenn ich einen übersättigten Markt habe, dann MUSS ich die Produktion drosseln.“ Anders sehen dies Vertreter/innen der Industrie und einige Beamte: Phil Hogan, irischer EU-Kommissar für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, setzt weiterhin auf Export und Freihandelsabkommen. Andrä Rupprechter, österreichischer Landwirtschaftsminister, prophezeit der österreichischen Landwirtschaft eine positive Zukunft durch gute Wettbewerbsfähigkeit, durch Investitionsfreude und größere Betriebe. Gemäß diesen Rahmenbedingungen von Wachsen oder Weichen begegnen viele Bauern und Bäuerinnen dem Preisverfall mit Expansion, noch höherer Produktion und Effizienz. Trotzdem kämpfen sie um ihre Existenz: einer der Bauern hatte sich errechnet, dass allein in Österreich in den letzten 20 Jahren alle 3,5 Stunden ein Bauernhof schloss – aufgekauft zumeist von noch größeren Betrieben. Die Landwirtschaft hat sich zur Berufssparte mit der höchsten Selbstmordrate entwickelt: Davon zeugen allein in Frankreich angeblich etwa 600 Selbstmorde von Landwirten pro Jahr (José Bové, französischer Politiker). Wachstum scheint eine schlechte Antwort auf die Lage der Bäuerinnen und Bauern zu sein.

Während einige wenige Akteure das Wachstum begrüßen und Marktoptimismus hegen, darunter Phil Hogan oder Industrievertreter/innen wie Mella Frewen, Generaldirektorin von FoodDrinkEurope, hört man von konventionellen Bäuerinnen und Bauern, dass sie müde werden, immer weiter wachsen zu müssen. Zentral ist die Einigkeit von Biobauern wie auch konventionellen Agraringenieuren verschiedenster politischen Färbung darüber, dass es so nicht weitergehen kann. „Das Mantra der Industrie – schneller, billiger, mehr – stellen die meisten von ihnen in Frage.“, so auch auf der Webseite zu lesen. Der Film versteht es, den Wachstumsglauben mit den allerseits gefühlten Wachstumsschmerzen, gar mit Wachstumsüberdruss zu kontrastieren. Einige kleinbäuerliche Betriebe zeigen jedoch Alternativen wie Direktvermarktung, Regionalisierung und Bioproduktion auf.

Hinterher folgte eine Diskussion über die Zukunft der Landwirtschaft mit Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Bundestagsfraktion der Grünen und Benedikt Haerlin von der Zukunftsstiftung Landwirtschaft. Auch hier wurde deutlich, dass wir in einem System leben, das immer weniger Menschen unterstützen möchten. Diskutiert wurde lösungsorientiert: vor allem Solidarische Landwirtschaft und Transparenz über Produktionsbedingungen, vor allem aber auch politische Lenkung spielten eine zentrale Rolle. Am Ende der Veranstaltung war der Wunsch nach einer Abkehr vom wachstumsfokussierten Markt deutlich bemerkbar.

Was den Film auszeichnet, ist der sachliche und nicht-ideologische Grundton, die pragmatische und überzeugende Art der Bäuerinnen und Bauern. Dieser Film überzeugt vor allem auch Nicht-Ökos. Zumindest bei meiner Freundin hat er einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Als ich sie Samstag danach besucht habe, hatte sie sich bereits das Abo eines Biomarktes geholt – dann ging es ab in den Wald, um Bärlauch pflücken und erste Erfahrungen mit der Subsistenz zu sammeln.

Vivian Frick hat Sozialpsychologie mit Nebenfach Politikwissenschaft an der Universität Zürich studiert. Danach arbeitete sie zunächst am Institut für Nachhaltige Entwicklung der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) zur Förderung suffizienten Energieverhaltens. Derzeit ist sie am IÖW als wissenschaftliche Mitarbeiterin angestellt.

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