Rezensionen

„All you need is less”

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Manfred Folkers und Niko Paech stellen im Buch „All you need is less“ ihre Vorstellungen von Suffizienz aus buddhistischer beziehungsweise aus ökonomischer Perspektive vor. Cathérine Lehmann hat das Buch rezensiert.

Suffizienz aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln

Das Buch beginnt mit einem Vorgespräch in Oldenburg zwischen den Autoren Manfred Folkers und Niko Paech sowie dem Journalisten und Moderator Barthel Pester. In diesem erzählen die Autoren, wo sie sich kennengelernt haben und wie die Idee zum Buch entstanden ist. Zudem werden die zentralen Themen des Buchs eingeführt, unter anderem Achtsamkeit, Meditation, Wachstumskritik und Suffizienz. Bereits zu Beginn zeigt sich, dass die Autoren von Suffizienz durchaus verschiedene Vorstellungen haben. Während Niko Paech diese sehr individualistisch betrachtet, die Politik für handlungsunfähig hält und sagt, dass Systemzwänge oft vorgeschoben seien, strebt Manfred Folkers neben persönlicher Suffizienz auch die Anpassung der politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen an. Auch wenn beide für individuelle Suffizienz und ein adäquates Maß eintreten, sind ihre Ansätze verschieden, was sich in zwei sprachlich und strukturell sehr unterschiedlichen Blöcken im Hauptteil des Buches widerspiegelt.

Ein achtsamer buddhistischer Ansatz

Zunächst stellt Folkers auf knapp 90 Seiten ‚Buddhistische Motive für eine Überwindung der Gier-Wirtschaft‘ vor, in denen man aus den Zeilen trotz der dringlichen Beschreibung der Thematik und der nötigen Änderungen eine gewisse Gelassenheit und geistige Ruhe herauslesen kann, wie viele Buddhist/innen sie verströmen. Manfred Folkers betont dabei, dass er Buddhismus eben nicht wie eine Religion betrachtet, sondern es sich um eine Welt- oder Lebensanschauung handele, die gerade auch atheistischen Menschen naheliegen kann. Zunächst stellt er daher buddhistische Konzepte vor, deren Verinnerlichung wohl mehr als eines Buches bedarf. Der Mensch sei am „Logenplatz des Universums“[1], was ein Privileg aber auch eine Aufgabe sei, mit der die Menschen angemessen umgehen müssten.

Er erläutert die drei „Peitschen“ in den nächsten Kapiteln. Diese seien „die Kräfte, die die Menschheit ins Goldene Zeitalter führten – Begehren, Abneigung und Täuschung –, [und] offenbar die gleichen, die sie nun in den Untergang treiben“ (S. 57). Begehren spiegele sich im Streben nach immer mehr, der Gier, dem endlosen Wachstum wider. Abneigung drücke sich im privaten Bereich als Neid, Ablehnung und Streit aus und in der Gesellschaft als Kampf um Status, Macht und Marktanteile. Täuschung entstehe durch Selbstbezogenheit, welche dazu führe, dass unangenehme Perspektiven ignoriert werden und an Illusionen festgehalten werde.

Schließlich stellt er auf Basis von Buddhas acht Pfaden zur Lösung der Probleme acht konkrete Handlungsfelder zur Veränderung vor: Denken, Mögen, Sprechen, Handeln, Wirken, Üben, Achten und Sein. Denken drückt sich z. B. in kritischer Reflektion und Achtsamkeit aus und soll dabei helfen, den Homo Oeconomicus als wirtschaftswissenschaftliches Leitbild hinter sich zu lassen. Sprache müsse auch hinterfragt und angepasst werden, wobei Praktiken wie Gewaltfreie Kommunikation helfen können. Beim Wirken geht es um eine Rückkehr zum „menschlichen Maß“ (S. 95), wofür in alternativ-ökonomischen Konzepten auch gesellschaftliche Vorschläge gemacht werden. Beim Achten geht es um die Einstellungen des „All you need is less“ und des „Allein geht gar nichts – gemeinsam geht alles besser“, letzteres, um den Hyper-Individualismus zu überkommen.

Zusammenfassend sind die drei Alternativen zu den Peitschen in Kurzform: 1) Haltung des ‚genug‘ (daraus Verwirklichung von Suffizienz und Subsistenz), 2) tolerante und solidarische Kooperation und 3) ein bewusstes, integres gutes Leben. Manfred Folkers erläutert dabei immer, was die Konzepte für einzelne Personen aber auch für die Gesellschaft als Ganzes bedeuten, wodurch er eine gute Einbettung erzielt bzw. ein ‚großes Ganzes‘ aufzeigt, um individuelle Gier sowie die von Folkers so bezeichnete Gier-Wirtschaft in etwas Positives umzuformen.

Ein ökonomischer individueller Ansatz

Im Anschluss beschreibt Niko Paech auf knapp 100 Seiten sein Konzept der „Suffizienz als Antithese zur modernen Wachstumsorientierung“. Dabei skizziert er zunächst die Unterschiede zwischen Effizienz, Konsistenz und Suffizienz und erläutert, weshalb seiner Meinung nach nur letztere wirklich erwirken kann, dass alle Menschen einen umweltverträglichen und gerechten Lebensstil haben. Niko Paech zeigt auf, dass die permanente Zeitknappheit in unserer Gesellschaft durch immer mehr in Anspruch genommene Handlungsmöglichkeiten ausgelöst wird und notwendigerweise ein Maximum für die Menge an Gütern und Erlebnissen bestünde, „die zur Steigerung menschlicher Lebensqualität führen können“ (S. 149). Auch der Prozess des Kaufens/Vorbereitens (fixe Konsumzeit) bedürfe viel Zeit, welche wiederum fehlt, um die bisherigen Güter sinnvoll zu nutzen (variable Konsumzeit). Die Prozesse des Kaufens und der Nutzung der Güter unterliegen einer Zeitrestriktion.

Um individuelles Wohlbefinden mit der Konsummenge in ein adäquates Verhältnis zu setzen, muss in reichen Ländern Reizüberflutung/Zeitknappheit/Stress reduziert werden („KEIN Verzicht, sondern Selbstschutz“ S. 170, Abb. 2), um in den Bereich der angemessenen Sättigung zu kommen. Diese ist von einer Unterversorgung im Globalen Süden zu unterscheiden, wo ein erhöhter Konsum notwendiger Güter zu einer Sättigung führt. Um eine solche Gerechtigkeit herzustellen und nicht auf Kosten anderer Menschen zu leben, ist eine Reduktion im Norden noch notwendiger als aus individuellen Gründen des Wohlbefindens.

Niko Paech erwähnt gängige Abwehrreaktionen gegenüber dem (angeblichen) Verzicht und schlägt unterschiedliche Herangehensweisen der Anpassung für Luxusgüter und Grundbedürfnisse entsprechend ihres Schadensniveaus vor. So gilt es zum Beispiel, Infrastruktur als Grundbedürfnis mit hohem Schaden zu reduzieren und Kreuzfahrten als Luxusgut mit hohem Schaden zu entsagen. Bei Wohnraum oder Nahrung als Grundbedürfnissen mit gering(er)em Schaden gilt Selbstbegrenzung ebenso wie für Luxusgüter mit geringem Schaden wie Bücher, Fernseher oder Wirtshausbesuche.

Da er die Politik für unfähig hält, einen solchen Kulturwandel einzuleiten, setzt er auf soziale Diffusion zur Verbreitung solcher Lebensstile zunächst durch eine suffiziente Avantgarde, die immer mehr Leute durch stringentes Vorleben auf dem Weg mitnimmt und die Entsagung von Überfluss zur Normalität werden lässt. Nur damit ließe sich auch glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation erreichen; nicht mit Nachhaltigkeitsvertreter/innen, die permanent durch die Welt fliegen und ihre eigenen Aussagen Lügen strafen.

Zum Abschluss

Das Buch endet mit einem Nachgespräch bei gleicher Konstellation nach Fertigstellung der Texte, welches noch einmal verschiedene inhaltliche Punkte, Verbindungslinien wie auch unterschiedliche Ansichten, aufzeigt. „All you need is less“ hat mich, auch wenn mir viele Ideen nicht neu waren, stark zum Nachdenken angeregt, wobei für mein Empfinden die buddhistische Gelassenheit des ersten Teils durch Niko Paechs Kritik an allen, die noch nicht vorbildlich leben, etwas unterging. Vielleicht hätte man die Reihenfolge umdrehen können, um sich zunächst kritisch mit sich selbst auseinanderzusetzen, aber danach mit einem weniger anklagenden Text in Richtung Achtsamkeit und Suffizienz zu starten.

Niko Paechs Buch „Befreiung vom Überfluss – Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie“ (2012, auch oekom), in dem er eine Begründung für die Notwendigkeit einer solchen Postwachstumsökonomie beschreibt und sein Konzept, wie sie aussehen sollte/könnte vorstellt, hatte ich vorher bereits gelesen. Daher finde ich es schwierig zu bewerten, wie gut alle seine Aussagen in „All you need is less“ ohne diese Lektüre zu verstehen sind. Es ist recht erläuternd geschrieben, zusammen ergibt es aber ggf. ein komplementäreres Verständnis seiner Überlegungen.

Insgesamt würde ich das Buch als nachdenkliche (und vielleicht in Dosen zu genießende) Lektüre empfehlen, um die buddhistischen Ansätze besser zu verstehen und in achtsamer Art mit sich selbst an einer Verbesserung des eigenen Lebenswandels und des Verhaltens der Gesellschaft mitzuwirken. Letztlich bin ich eher bei Manfred Folkers, der auch die Rahmenbedingungen ändern möchte, statt nur auf immer mehr Menschen zu setzen, die sich selbst in Richtung Suffizienz bewegen. Es sind auch kleine interessante Nuggets enthalten, wie die Darstellung der Jahreszahlen mit einer vorangestellten Null (z. B. sind wir im Jahr 02020), um den Blick auf die Zukunft zu öffnen (Vorschlag der Long Now Foundation).

 

[1] „Indem ein Mensch Teil dieser Welt ist, schaut er sie nicht nur an, sondern die Welt schaut durch ihn auch sich selbst an. Die Menschen nehmen das Leben wahr – gleichzeitig nimmt sich in ihnen das Leben wahr.“ (S. 43)

 

 

Manfred Folkers & Niko Paech (2020): All you need is less – Eine Kultur des Genug aus ökonomischer und buddhistischer Sicht. München: oekom verlag.

 

Cathérine Lehmann studierte International Sustainability Management im Master an der ESCP Berlin/Paris und forschte danach an der TU Berlin zu Nachhaltigem Konsum und am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) zu Postwachstum, Engagement, Verbänden und sozial-ökologischer Transformation. Nun befasst sie sich mit der Nachhaltigkeitstransformation von Städten und Regionen. Sie ist politisch und zivilgesellschaftlich aktiv, unter anderem im Klimaschutzverein „3 fürs Klima e.V.“. Sie bloggt auch in ihrer Freizeit über nachhaltiges Leben und aktuelle Themen zur Nachhaltigkeit: https://cathagoessustainable.wordpress.com.

1 Kommentare

  1. Vroni Bauriedl sagt am 3. Februar 2021

    Uroma,Politikwissenschaftlerin ,Buddhistin.
    Ich freute mich schon auf das Buch,All you Need isLess!Zumal ich mit meinen Enkeln alle relevanten Bücher von André Gorz aus meiner alten Bibliothek bis Maja Göpel
    Lese und diskutiere.
    Bei Manfred Folkers fühlte ich mich dauernd ungehalten: für mein Gefühl zu ausufernd und ich wurde den Eindruck nicht los,daß er belehrt,aber es selbst noch lange nicht lebt.Was die Abschlußdiskussion dann auch zeigte.Niko Paech,den ich sehr schätze,sagte an einer Stelle:“Das ist mir zu plakativ!“Lieber auch leben!Vroni B.

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