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Wie können Unternehmen den Wandel gestalten?

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So wie Insekten in der Natur sowohl schädlich als auch nützlich sein können, gibt es zum einen Unternehmen deren Geschäftstätigkeit sich negativ auf Natur und Umwelt auswirkt und solche die ihr gesamtes Unternehmen, d. h. insbesondere ihr Kerngeschäft, konsequent nachhaltig ausrichten. Und so wie in der Natur beeinflussen diese Unternehmen nicht nur ihr unmittelbares Umfeld, sondern das gesamte „Ökosystem“ Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt. Mit diesen Nützlingen der Unternehmenswelt hat sich die Jubiläumskonferenz „Kern-Geschäfte – Wie Unternehmen sozial-ökologischen Wandel gestalten können“ des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und der Vereinigung für ökologische Wirtschaftsforschung (VÖW) am 3. November 2015 auseinandergesetzt.


Heike Mewes (IÖW) leitete die Debatte mit ihrer Keynote ein. In dieser stellte sie u.a. die im Vorfeld der Konferenz veröffentlichten Thesen des IÖW vor, mit denen das IÖW eine Debatte über transformatives Unternehmenshandeln angestoßen hatte. Diese Thesen bildeten die Diskussionsgrundlage der Tagung. Der Vortrag war geleitet von drei Kernfragen: Welchen Anforderungen muss sich ein Unternehmen stellen, damit es als transformativ gelten kann? Welche Ansätze zum transformativen Unternehmenshandeln gibt es bereits? Und welche Merkmale zeichnen transformative Unternehmen aus?

Nachhaltige Unternehmensführung heute – Worthülse oder Kern-Geschäft?

Das hierauf folgende Eröffnungspanel „Nachhaltige Unternehmensführung heute – Worthülse oder Kern-Geschäft?“ bot Raum für lebhafte Diskussionen. Den Start machte der Geschäftsführer der Biobrauerei Neumarkter Lammsbräu. Herr Ehrnsperger lieferte zahlreiche Beispiele dafür, wie sein Unternehmen nicht nur intern für eine nachhaltige Transformation gesorgt hat, sondern auch für die transformative Wirkung im Unternehmensumfeld. So hat die Kooperation mit lokalen Lieferanten zu einer der höchsten Dichten an Biobauern deutschlandweit gesorgt und inzwischen ist das Thema Nachhaltigkeit Leitlinie der Kommunalpolitik von Neumarkt. Dabei wurde betont, dass es, gerade zu Beginn, heftige Widerstände aus der Branche aber auch aus der Bevölkerung gab. Um diese zu überwinden musste viel Überzeugungsarbeit geleistet und hin und wieder zu unkonventionellen Mitteln gegriffen werden. Auch ökonomisch lief es nicht von Anfang an glatt und die erhöhten Kosten bedeuteten zumindest zu Beginn einen Gewinneinbruch.

Die Herausforderungen denen sich ein Unternehmen bei einer nachhaltigen Transformation des Kerngeschäfts gegenübersieht machte dann auch der Beitrag von Herrn Kottmann vom der BHK Holz- und Kunststoff KG deutlich. So gibt es zwar ein Umweltmanagementsystem und ein Heizkraftwerk, welches die in der Produktion abfallenden Holzreste verwertet. Da das Unternehmen aber nicht in der Nische agiert und auf die großen Einrichtungsmärkte und Baumarktketten als Vertriebskanal angewiesen ist, besteht in der Produktpolitik nur eingeschränkte Entscheidungsfreiheit. Höhere ökologische Standards sind deshalb nur dann möglich, wenn sie sich am Gesamtmarkt durchgesetzt haben, wie es z.B. beim FSC Siegel der Fall ist.

Herr Tschimpe vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) beleuchtete schließlich die Fragestellung aus Sicht einer zivilgesellschaftlichen Organisation, die mit Unternehmen kooperiert, die ihr Kerngeschäft nachhaltiger gestalten wollen. Hier wurde auf die Problematik eingegangen, dass häufig einzelne Bereiche und Personen sehr engagiert sind, es aber darum geht, die gesamte Unternehmenskultur zu verändern. Gleichzeitig bedeuten solche Kooperationen aber auch für die zivilgesellschaftlichen Akteure einen Lernprozess. So musste z.B. im Falle eines großen Einzelhändlers erkannt werden, dass es nicht möglich ist alle Lieferketten von mehreren tausend Produkten von heute auf morgen nachhaltig zu gestalten. Insofern sei auch der Vorwurf des „Greenwashing“ mit Vorsicht zu verwenden, denn wenn Unternehmen bei ihren ersten Schritten in Richtung Nachhaltigkeit eher Kritik als Anerkennung ernten, sei dies kontraproduktiv.

Bei der anschließenden Publikumsfragerunde ging es unter anderem darum, wie Aktiengesellschaften, die in ihren unternehmerischen Entscheidungen, auch aus strukturellen Gründen, weniger frei sind, für eine Wende in Richtung Nachhaltigkeit gewonnen werden können. Außerdem wurde die Frage aufgeworfen, ob Krisen – unternehmensextern und – intern Windows of Opportunity für einen sozial-ökologischen Wandel schaffen. Diskutiert wurde in diesem Zusammenhang auch das Beispiel Volkswagen, mit dem auch der NABU zusammenarbeitet(e).

Schlussendlich durfte natürlich die Gretchenfrage der nachhaltigen Unternehmensführung nicht fehlen: Wie werden diejenigen Firmen erreicht, die diesem Thema gegenüber (bisher) nicht offen sind? Die Antworten der Panelisten zu dieser Frage boten einige interessante Ansätze. Unter anderem: über ein proaktives Auftreten transformativer Unternehmen in den diversen Unternehmensverbänden, IHKs etc., durch öffentlichen Druck, finanzielle Unterstützung z.B. durch die Förderbank KfW oder eine neue „Transformationsbank“, eine stärkere Verankerung nachhaltiger Inhalte in den wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten und letztendlich über politischen Zwang, sei es durch Gesetzgebung oder aber z.B. durch eine nachhaltige öffentliche Beschaffung.

Reflektionen aus Unternehmen, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Politik

Die an die Diskussion anschließenden Workshops beschäftigten sich u.a. mit den Themen nachhaltige Unternehmensgründungen, nachhaltige Lieferketten, der Rolle von Kooperationen für die Transformation und mit den Möglichkeiten der Skalierung nachhaltiger Geschäftsmodelle, die nicht dem Wachstumsparadigma folgen. Die Ergebnisse dieser Workshops wurden anschließend auf dem Panel in Form eines „Reflecting Teams“ präsentiert, bei der die Diskussionen der Workshops sowie der Veranstaltung insgesamt aus verschiedenen Perspektiven (Unternehmen, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Politik) reflektiert wurden.

Den Start machte Herr Dr. Steisslinger vom Terra Institute. Er betonte u.a. die Bedeutung von Exnovationen, d.h. die Tatsache, dass bei einer Transformation nicht nur Neues entsteht, sondern auch Altes untergehen muss. Eine weiterer Kernpunkt war die Erkenntnis, dass 2/3 aller grundlegenden, d.h. nicht nur inkrementellen, Innovationen im Nachhaltigkeitsbereich von Start Ups kommen und diesen deshalb schon strukturell eine hohe Bedeutung zukommt. Einen kritischen Blick auf das Thema Lieferketten gewährte Heinz Fuchs von Brot für die Welt. So sei grundlegend anzumerken, dass eine nachhaltige Lieferkette grundsätzlich nicht mit einem nachhaltigen Geschäftsmodelle gleichzusetzen sei, wenn dieses z.B. in erster Linie darin bestehe zu mehr Konsum zu animieren. Darüber hinaus sei die Nachhaltigkeitsdiskussion insgesamt zu umweltlastig. Das Thema Menschrechte sei tendenziell unterbelichtet. Ulrich Petschow vom IÖW betonte, dass sich das Thema nachhaltiges Wirtschaften auch nach über 30 Jahren noch in der Nische bewegt und dass deshalb eine „Transformation der Transformation“ notwendig sei. Die Debatte zum Thema Skalierung wurde von Kora Kristof vom Umweltbundesamt reflektiert. Im Kern ging es um die Frage, ob das Richtige im Falschen möglich ist. Kann ein Einzelunternehmen auf Wachstum verzichten, wenn das Thema Postwachstum volkswirtschaftlich unbearbeitet bleibt? Der zweite Schwerpunkt war die Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Wachstumsbegriffs selbst. Was genau soll (oder soll nicht) wachsen? So wäre ein Wachstum der individuellen Zeitautonomie oder Selbstwirksamkeit ja positiv zu sehen.

In der nun folgenden Abschlussdebatte kamen weitere zukunftsweisende Themen auf wie die Umdeutung der Systemfrage in eine Frage der Routinen bzw. ihrer Veränderung oder die Bedeutung der Industrie 4.0 für die Zukunft der unternehmensbezogenen Nachhaltigkeitsdebatte. Zudem wurde betont, dass die Debatte auch internationale Perspektiven einschließen muss und die Rolle der Finanzmärkte stärker in den Blick genommen werden sollte.

Insgesamt wurde die Rolle von Unternehmen in einer sozial-ökologischen Transformation auf dieser Konferenz aus einem positiven und damit eher ungewöhnlichen Blickwinkel diskutiert. Dieser aber erlaubte es, den Fokus auf die Potentiale und nicht nur auf die Defizite zu richten. Neben Ansätzen, die dabei helfen können, das Thema aus der Nische zu holen, sind in den Diskussionen auch diverse neue Fragestellungen aufgetaucht, die auf weitere spannende Veranstaltungen in der Zukunft hoffen lassen.

Zur Dokumentation der Tagung

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