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Versuche in Grün – Grund für Optimismus?

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Im Postwachstumsatlas zieht der Umweltjournalist Manfred Kriener in seinem Beitrag „Projekt Energiewende“ Bilanz nach 15 Jahren Erneuerbare-Energien-Gesetz in Deutschland. Seit den 90er Jahren hätten sich die Erneuerbaren Energien hierzulande zu einer ernstzunehmenden Branche mit vielen Arbeitsplätzen, hohen Umsätzen und starkem Effekt für die kommunale Wertschöpfung entwickelt und auch global wachse der Anteil Erneuerbarer Energien. Daneben ermögliche die Dezentralität der Erneuerbaren, Bürger/innen eine Teilhabe, die mit großen, hochinvestiven Kohle- und Atomkraftwerken einfach nicht möglich war. Kriener sieht aber auch „Baustellen“: die ausbleibende Senkung des Energieverbrauchs, die Verengung auf die Kostenfrage, die das Image der Erneuerbaren in letzter Zeit schädigte, der Bau neuer, langlebiger Kohlekraftwerke, die eigentlich nicht einhergehen können mit einer klimafreundlichen Umstellung des Energiesystems. Allerdings bleibt der Umweltjournalist alles in allem optimistisch, denn „[m]it dem weiteren nationalen und internationalen Ausbau werden die positiven Effekte wohl dominieren.“

Unerwähnt in Krieners Beitrag bleibt, dass die Energiewende im Industriebereich, bei der Gebäudesanierung und im Verkehrssektor hinter ihren Erwartungen zurückbleibt. Es sieht derzeit so aus, als würde die Bundesregierung ihre eigenen Klimaschutzziele für 2020 verfehlen – trotz dynamischem Zuwachs der Erneuerbaren Energien im Strombereich (siehe zum Beispiel die Broschüre: „Klimaschutz in Zahlen“ vom Bundesumweltministerium, Juni 2014). Diese Verkürzung ist verständlich, hat der Autor doch nur zwei Seiten Platz um seine Ideen darzustellen und mit Beispielen zu unterlegen. Verstärktes Augenmerk ist aber auch auf die überwiegend noch ausstehenden Erfolge außerhalb des Stromsektor notwendig, sonst entsteht der Eindruck die deutsche Energiewende sei eine reine Erfolgsgeschichte.

Alles nur Illusion?

Aber bleiben wir bei den von Kriener beschrieben Erfolgen. Würden die anderen Autoren des Kapitels „Versuche in Grün“ da miteinstimmen?

Während Kriener optimistisch ist, weil weltweit immer mehr Geld in die Erneuerbaren Energien fließt, wird im Beitrag von Ulrich Brand „Die Illusion vom sauberen Wachstum“ angeprangert. Brand kritisiert besonders diejenigen, die Ökologie und Kapitalismus gemeinsam denken und „Grünes Wachstum“ (Wachstum im Bereich der Grünen Technologien wie Erneuerbaren Energien oder besonders effizienten Maschinen) bejahen, ohne „die soziale Ungleichheit noch die zerstörerischen Seiten des Kapitalismus“ zu hinterfragen. In die gleiche Kerbe schlägt Ulrich Schachtschneider, der einen neuen Gesellschaftsvertrag für den grünen Kapitalismus fordert.

Und wo Kriener Energieeffizienz und –einsparungen als „Königsdisziplin der Energiewende“ sieht, die von der deutschen Politik bisher einfach nur verschlafen wurde, zieht Tilman Santarius das Fazit: „Erst wenn die Wirtschaft aufhört zu wachsen, können Effizienzstrategien einen uneingeschränkt konstruktiven Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten.“ Der sogenannte Rebound-Effekt, so Santarius‘ These, führe nämlich dazu, dass „[w]er ein Hybridauto hat, […] mit gutem Gewissen mehr [fährt]“, und dass in den USA und anderen Staaten Energiemehrverbrauch die Effizienzbemühungen der letzten 20 Jahre zu Nichte machten.

Debatte in Grün

Diese beiden Beispiele zeigen, dass im Kapitel „Versuche in Grün“ durchaus eine Debatte zum Entwicklungsmodell Green Growth / Green New Deal geführt wird. Krieners Beitrag beleuchtet dabei die Energiewende aus einem etwas positiveren, vielleicht sogar rosigen Licht. Gravierende Kursfehler wie der Bau neuer Kohlekraftwerke und die Etablierung von Zubau-Korridoren werden durchaus erkannt, aber eher als Herausforderung statt als Gefahr für Energiewende empfunden. Soziale Aspekte der Energiewende werden im Gegensatz zu einigen anderen Beiträgen kaum diskutiert.

Die Erfolge und Bedeutsamkeit der Energiewende herauszustellen ist ein wichtiger, ein notwendiger Beitrag in der Debatte, die in „Versuche in Grün“ geführt wird. Die Energiewende hat klein angefangen und ist heute in aller Munde. Ein EE-Anteil von 27 % am deutschen Stromverbrauch zeigt, dass die Umstellung des Energieversorgungssystems kein illusorisches Unterfangen ist. Jetzt gilt es sich nicht auf den Erfolgen auszuruhen, sondern das Projekt Energiewende mit Elan und neuen Ideen zu gestalten.

„Energiewendeland und Kohleland – das passt immer weniger zusammen“ schreibt Kriener angesichts der Kohlerenaissance in Deutschland. Schwer vereinbar scheinen auch das saubere Image der Erneuerbaren und die schlechte Arbeitsbedingungen für Fachkräfte in der Branche, die Dietmar Hexel kritisiert. Ebenso gilt es im Blick zu behalten, dass der sinkende Raumwärmebedarf pro m² Wohnfläche mit einem gleichermaßen steigenden Wohnflächenverbrauch pro Kopf einhergeht (Santarius). Eine wahre „industrielle grüne Revolution“, muss soziale Ungerechtigkeit aktiv bekämpfen, statt auf den alten Pfaden des Kapitalismus zu wandeln (siehe auch Brand).

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