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Suffizienz ermöglichen – Auf dem Weg zu einer neuen Arbeitsmarktpolitik

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Was kann und was soll Politik tun, um suffiziente Lebensweisen zu erleichtern? Hierzu reicht es nicht, konkrete Randbedingungen und Infrastrukturen – im Bereich Verkehr, Wohnen, Ernährung – zu gestalten. Suffizienzpolitik zielt genauso auf Rahmenbedingungen des Wirtschaftens und die Orientierung an grundlegenden Prinzipien, die das rechte Maß für Zeit und Raum, für Besitz und Markt vermitteln. Ein vierter wichtiger, bisher wenig diskutierter Zugang einer Suffizienzpolitik sind „Ermöglichungspolitiken“. Dies sind Politikbereiche, die Ressourcen für ein suffizientes Leben schaffen können – Arbeits-, Gesundheits- oder Verbraucherpolitiken. Bei diesen Politiken geht es um die Schaffung von Fähigkeiten und Ressourcen, die es dem Individuum ermöglichen, ein gutes Leben zu führen – Ressourcen wie Bildung, Wissen, souveränes und autonomes Orientieren. Diese Politiken stehen heute oft noch im Bann von mehr ökonomischem Wachstum.

In unserem Buch „Damit gutes Leben einfacher wird. Konturen einer Suffizienzpolitik“ gehen wir auf alle vier Politikansätze des Ermöglichens, Rahmens, Gestaltens und Orientierens (E-R-G-O) ein. In diesem Blog-Beitrag zeigen wir die Bedeutung einer breiter gedachten Arbeitsmarktpolitik als Ermöglichungspolitik auf.

Arbeit ist mehr als Erwerbsarbeit

Arbeit ist ein vielschichtiges Phänomen. In modernen Gesellschaften hat sie weit mehr Funktionen als nur den Lebensunterhalt zu sichern. Arbeit ist ein Weg zur sozialen Teilhabe, Arbeit vermittelt über die Bezahlung und/oder Anerkennung Wertschätzung gegenüber der eigenen Person. Sehr häufig ermöglicht sie die Entfaltung persönlicher Fähigkeiten. Gutes Leben hat daher sehr viel mit der Art meiner Arbeit und der ihr entgegengebrachten Anerkennung zu tun.

Der ökonomische Blick auf die Arbeit ist dagegen weit reduzierter. Er konzentriert sich ausschließlich auf Erwerbsarbeit, d.h. bezahlte Arbeit in ökonomischen Wertschöpfungsprozessen, und hier zählt eine möglichst hohe Arbeitsproduktivität, die pro bezahlter Arbeitsstunde erbrachte Wertschöpfung.

Eine ganzheitliche Arbeitspolitik konzentriert sich nicht alleine auf Erwerbsarbeit, sondern nimmt die vielen Formen von Nichterwerbsarbeit in den Blick: Sorge-, Pflege- und Familienarbeit, bürgerschaftlichen Engagement sowie neue Formen der Eigenarbeit und Selbstversorgung. Ein Großteil gesellschaftlicher Wertschöpfung wird in diesen Bereichen erbracht, ohne dass er sich im Bruttoinlandsprodukt niederschlägt. Nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes werden in Deutschland mehr Arbeitsstunden in Nicht-Erwerbsarbeit als in Erwerbsarbeit erbracht.

Für eine Gleichberechtigung aller Formen der Arbeit

Es spricht daher vieles dafür, eine Arbeitspolitik zu entwerfen, die alle Formen der Arbeit gleichberechtigt in den Blick nimmt und sich insbesondere des Zusammenspiels von Erwerbs- und Nicht-Erwerbsarbeit annimmt. Die damit verbundenen Herausforderungen sind erheblich, da auch unsere gesamten sozialen Sicherungssysteme auf einem System der Erwerbsarbeit aufbauen. Zudem sind Anerkennungskultur und soziale Integrationsmuster bei der Nicht-Erwerbsarbeit bei weitem noch nicht in dem Ausmaß etabliert wie in der Erwerbsarbeit.

Dennoch eröffnet eine solche erweiterte Arbeitspolitik Perspektiven für ein gutes Leben jenseits von weiteren Steigerungen des Bruttosozialproduktes. Es lohnt daher, Ansätze einer ganzheitlichen Arbeitspolitik in den kommenden Jahren zu erproben und weiterzuentwickeln. Bausteine hierfür sind zum einen Arbeitszeitmodelle, die neue Formen des Nebeneinanders von Erwerbs- und Eigenarbeit ermöglichen. Genauso wichtig ist zum anderen die Weiterentwicklung unserer sozialen Sicherungssysteme, um diese von Erwerbsarbeit unabhängiger zu machen. Der Vorschlag eines bedingungslosen Grundeinkommens ist dabei  ein Vorschlag, den es weiter zu erproben gilt – gerade weil er so kontrovers diskutiert wird.

Eine Vertiefung dessen, wie Arbeitspolitik als Teil einer umfassenden Suffizienzpolitik aussehen kann, findet sich im Buch „Damit gutes Leben einfacher wird. Konturen einer Suffizienzpolitik„. Die Buchvorstellung findet statt am11. November 2013 um 19.00 Uhr im Auditorium des Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum der Humboldt-Universität,  Geschwister-Scholl-Straße 3, 10117 Berlin (direkt am S-Bahnhof Friedrichstraße). Weitere Informationen zur Veranstaltung und zu dem Buch finden Sie hier.

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