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Sattes Grün verlangt kräftiges Rot

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Mitte Juni 2012 hat die Bundestagsfraktion der LINKEN ihren PLAN B veröffentlicht, ihr „Rotes Projekt für einen sozial-ökologischen Umbau“. Dieser Denkanstoß wurde und wird als Einladung zur Debatte von vielen innerhalb und außerhalb der Partei angenommen. Texte, Ideen und Debatten sind dokumentiert unter: www.plan-b-mitmachen.de.

DIE LINKE setzt mit ihrem PLAN B auf ein eigenständiges Konzept gegen die blinde Wachstumsmaschinerie

Warum PLAN B? Der erste Grund ist offensichtlich. Plan A, die kapitalistische Wachstumsmaschinerie, fährt gegen die Wand. Das gegenwärtige Wirtschaftsmodell ist ökologisch blind, produziert groteske Ungleichheit und wird gelenkt von perversen Finanzstrukturen. Dieses Modell kann und darf keine Zukunft haben. Der zweite Grund ist die Illusion, dass Plan A funktionieren könnte, wenn er ein grünes Gewand bekäme. Das wird nicht der Fall sein. Wer mit seinem Green New Deal nur auf die Umwälzung der Technologien setzt und die Veränderung von Wirtschaft und Gesellschaft vergisst (oder nicht wagt), der springt zu kurz.

PLAN B ist ein Projekt der kleinen Schritte und der großen Veränderungen, des grünen Stroms und der ökologischen Volkswirtschaft, der Abwehr von Gefahren und des Gewinnens lebenswerter Perspektiven. Selbst Konservative sprechen angesichts fundamentaler ökologischer Herausforderungen von großen Transformationen, gar von Revolutionen, die notwendig seien. Eine Bewältigung dieser historischen Aufgabe erscheint aber wohl nur dann auf dem Radarschirm der Vorstellungskraft, wenn Millionen Menschen aktiv, gestaltend und im eigenen Interesse sich dieser Aufgabe widmen. Sie werden das nur tun, wenn der Übergang zu ökologischem Produzieren und Konsumieren nicht eine Bedrohung, sondern ein Gewinn für das eigene Leben ist. Deshalb kann der Umbau der Industriegesellschaft kein elitäres Projekt sein. Ebenso mangelhaft wäre klassisches Politikmanagement nach dem Motto: etwas sozialer Ausgleich muss schon sein, damit die Akzeptanz nicht schwindet.

Die alten linken Grundsätze der Kooperation, der Gleichheit und der Planung gehören wieder auf die Tagesordnung

Mit diesem alten Denken, das im grünen Gewand Ungleichheit und Herrschaft stillschweigend als selbstverständlich voraussetzt, kann es keinen Neustart geben. Aus der ökologischen Perspektive wird besonders deutlich, dass die alten linken Grundsätze der Kooperation, der Gleichheit und der Planung wieder auf die Tagesordnung gehören – aber nicht als Neuauflage zu recht untergegangener Konzepte, sondern als ökologisch begründete Notwendigkeit der bewussten Gestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft.

In diesem Sinne ist beispielsweise Gleichheit nicht nur ein ethischer Grundsatz, sondern auch aus praktischen Gründen wichtig. Denn „Gleiches Recht für alle“ (also gleiches Recht auf Naturnutzung, gleiche Pflicht zum Umweltschutz) ist die beste und die wirksamste Umbau-Maxime, weil Produktion und Konsumtion nahezu in ihrer Gesamtheit auf dem Prüfstand stehen, weil die Veränderungen nicht autoritär, sondern demokratisch erfolgen sollen, weil angesichts des notwendigen Tempos der Umbau zum ureigenen Anliegen gesellschaftlicher Mehrheiten werden muss. In die bundesdeutsche Wirklichkeit übersetzt heißt das: Spürbare und umfangreiche Umverteilungen von Einkommen, Vermögen und Arbeitszeiten. Von oben nach unten. Vom Dauerstress der einen und erzwungener Untätigkeit der anderen zur gesicherten Teilhabe aller in möglichst souveräner Selbstbestimmung.

Wenn Ungleichheiten und damit auch Ungewissheiten schwinden, dann steigen die Chancen für bewusste Gestaltungen – des je eigenen Lebens, aber auch der wirtschaftlichen Prozesse insgesamt. Drastische Umverteilung ist nicht die alleinige, aber doch eine wichtige Grundlage für den nötigen Gewinn an Planungskompetenz. Nicht zuletzt lässt sich damit ein erheblicher Teil des von Ungleichheit gespeisten, vagabundierenden Kapitals neutralisieren, indem seine Quellen schrittweise versiegen.

Bislang gilt der Grundsatz: Die Rendite der Reichen ist unantastbar

Bislang gilt der Grundsatz: Die Rendite der Reichen ist unantastbar. Das ist zwar nicht – wie jeder weiß – Paragraph 1 des Grundgesetzes. Aber an diesem Prinzip orientiert sich die Bundespolitik seit Jahren. Was Banken, Fonds und Rating-Agenturen verlangen, ist zur obersten Richtlinie der Politik geworden. Neustart in Deutschland, in Europa und anderswo heißt deshalb auch: das Diktat und die Tributforderungen der Finanzoligarchie nicht mehr anerkennen, unmoralische Schulden abwickeln, damit neue Perspektiven möglich werden. In Europa haben die sogenannten Rettungsschirme vor allem die Banken gerettet und im Gegenzug ganze Länder in den Schraubstock des Schuldendienstes gezwängt. Wenn das so weiter geht, ist in weiten Teilen Europas jegliche soziale und ökologische Entwicklung auf lange Zeit blockiert. Kein vernunftbegabter Mensch kann akzeptieren, dass die von den Staaten geretteten Finanzakrobaten nun ihren Rettern, den Staaten, die Bedingungen diktieren.

Widerstand gegen diese durch nichts legitimierte Macht gehört zwingend zu einem Umbauprogramm. Aus LINKER Sicht kommt es darauf an, die Finanzwelt scharf zu reglementieren, Banken weitgehend zu vergesellschaften und im öffentlichen Interesse wirken zu lassen. Passiert das nicht, bleibt nicht nur die Demokratie stets gefährdet. Dann kommen auch Strategien ökologischer Gestaltung unter die Räder. Gegenwärtig sind nahezu alle wichtigen Preise, ob für Rohstoffe oder Nahrungsmittel, in großem Umfang spekulativ verzerrt. Börsen und Investmentfonds sorgen permanent für falsche Signale und lenken die Ressourcen in falsche Bahnen. Vor diesem Hintergrund sollte die Schlussfolgerung klar sein: Wer die Erde als lebenswerte Welt erhalten will, muss die Macht der Finanzwelt brechen.

Probleme kann man niemals mit derselben Wirtschaftsweise lösen, durch die sie entstanden sind

Nicht Renditen und Zinsen gehören ins Zentrum der politischen Aufmerksamkeit, sondern die ökologischen Herausforderungen. In den vergangenen Jahren hat der globale Ausstoß von Kohlendioxid neue Rekordwerte erreicht. Das Ziel, die Erderwärmung auf maximal zwei Grad zu begrenzen, ist kaum noch zu erreichen. In vielen Regionen der Erde sind die Folgen des Klimawandels bereits deutlich spürbar. Hinzu kommt der Kampf um knapper werdende Rohstoffe, die zunehmend in ökologisch sensiblen Gebieten gefördert werden. Insgesamt ergibt sich ein alarmierendes Bild: der Raubbau an der Natur geht unvermindert weiter.

Union und FDP haben nach Fukushima ihre Energiepolitik geändert, aber die Tragweite der ökologischen Herausforderungen nicht begriffen. SPD und Grüne konzentrieren sich auf technische Veränderungen und schwärmen von einer neuen, von grünen Investitionen getragenen Welle des Wachstums. Gemeinsam gehen alle vier genannten Parteien davon aus, dass die Wirtschaftsordnung trotz der ökologischen Gefährdungen keiner grundlegenden Erneuerung bedarf. Diese Auffassung teilt DIE LINKE nicht. In Anlehnung an Albert Einstein könnte man sagen: Probleme kann man niemals mit derselben Wirtschaftsweise lösen, durch die sie entstanden sind. Deshalb ist es an der Zeit, wieder intensiv über Eigentumsstrukturen und Regulationsweisen, über das richtige Verhältnis zwischen Plan, Markt und Commons nachzudenken und – mit Intelligenz und Mut, ohne Ehrfurcht vor illegitimen Eigentumstiteln – das Ökologisch Vernünftige zu tun.

2 Kommentare

  1. Ich will das Engagement der Linken in keiner Weise schmälern. Dennoch tendiere ich zu den Grünen, die sich darüber bewusst sind, das solche Engagements auf eine stabile Finanzierungspolitik erfordern. Es wird Zeit Ökonomie und Ökologie in Einklang zu bringen und nicht die Verteufelung der Wirtschaft als Lösung des Problems hoch zu stilisieren.

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