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Postwachstum vs. Grünes Wachstum – Ein Workshopbericht von der TU Dresden

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Immer mehr Menschen werden sich bewusst darüber, dass die planetaren Grenzen durch unsere Lebens- und Wirtschaftsweise in vielen Bereichen erreicht sind und dass Ressourcen- und Ökosystemleistungen nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen. Während einige der Meinung sind, die ökologischen Krise sei durch Grünes Wachstum abzuwenden, bei dem das BIP-Wachstum von dem Ressourcenverbrauch entkoppelt werden soll, streben andere eine Postwachstumsgesellschaft an, in der Lebensqualität und Wohlstand unabhängig vom BIP-Wachstum gewährleistet werden sollen. Bei dem Diskurs um die Realisierbarkeit beider Ansätze geht es vor allem um Fragen, ob der Ressourcenverbrauch generell vom BIP entkoppelbar ist und/oder ob der Lebenswohlstand und unsere Sozialversichterungssysteme von diesem entkoppelbar sind. Dieser Kontroverse sind wir bei den Hochschultagen für ökosoziale Marktwirtschaft und Nachhaltigkeit auf den Grund gegangen, die die Umweltinitiative der TU Dresden vom 08.-10.05.2015 zum 6. Mal ausgerichtet hat. In diesem Beitrag stelle ich die Ergebnisse des Workshops dar, auf dem 10 Teilnehmer/innen mit dem Kursleiter Eugen Pissarskoi Argumente aus dieser Kontroverse rekonstruiert und weiter diskutiert haben.

Zunächst wurde – überraschend für viele Teilnehmer/innen – von Eugen Pissarskoi ein Unterschied zwischen Postwachstum und Degrowth aufgezeigt. Dem Namen „Degrowth“ hat er die These zugeschrieben, dass eine nachhaltige Lebensweise immer auch mit einer BIP-Schrumpfung einher geht und diese somit unbedingt nötig ist. Hinter dem Namen „Postwachstum“ steht hingegen die Idee, dass die Fokussierung auf das BIP-Wachstum im negativen oder positiven Sinne allgemein ein Problem darstellt. Befürworter/innen einer Postwachstumsgesellschaft streben vielmehr eine komplette Loslösung der Sozialsysteme und auch unserer gesamten Produktions- und Lebensweise vom BIP-Wachstum an. Allgemein scheinen beide Bestrebungen jedoch viele Gemeinsamkeiten aufzuweisen.

Im Zuge der Argumentationsrekonstruktion wurde deutlich, dass diese Ansätze jedoch ein gemeinsames grundlegendes Ziel mit dem Diskurs um das Grüne Wachstum haben: Eine aus ökologischer Sicht nachhaltige Lebens- und Wirtschaftsweise. Bei dem Postwachstums- und zumeist auch bei dem Degrowth-Diskurs wird des Weiteren auch immer die soziale Sicherheit und Gerechtigkeit als Ziel angeben. Ob dies beim Grünen Wachstum ein so grundlegendes Ziel ist, dass es nicht erwähnenswert erscheint, oder ob es schlicht keine Rolle spielt, ist jedoch nicht so leicht auszumachen.

Ferner wurde im Laufe des Workshops deutlich, dass die Überlegungen zum Grünen Wachstum und die zu Postwachstum/Degrowth zur Umsetzung des gemeinsamen Zieles einer nachhaltigen Lebensweise von zwei unterschiedlichen Prämissen ausgehen. Beim Grünen Wachstums ist der Glaube daran, dass das BIP-Wachstum vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln ist, grundlegend. In der Postwachstums-/Degrowth-Bewegung wird hingegen davon ausgegangen, dass eine Entkopplung in dieser Hinsicht nicht möglich ist. Hier stellt sich jedoch die Frage, ob unsere Sozialsysteme vom BIP entkoppelbar sind, sodass sie auch bei stagnierendem oder fallendem BIP funktionsfähig bleiben.

Bei der Rekonstruktion der Argumente für Grünes Wachstum stellte sich heraus, dass ihre Befürworter/innen vor allem pragmatische Gründe vorbringen: Das System des BIP-Wachstums habe sich seit Jahren als Wohlstandsgarant bewährt. Auch einige neue ressourcenschonende Technologien, auf die das Grüne Wachstum setzt, seien vielversprechend. Des Weiteren wird als Argument gegen eine Postwachstumsgesellschaft angebracht, dass ein Wertewandel, wie er hierfür grundlegend wäre, angesichts der ökologischen Krise zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Bei einer nur verhältnismäßig geringen Modifizierung des bisherigen Wirtschaftssystems durch die Grüne Wachstumsidee blieben wir als Gesellschaft jedoch handlungsfähig und könnten so den (Umwelt-) Problemen, die durch unsere bisherige Wirtschaftsweise geschaffen wurden, besser entgegen treten.

Die Befürworter/innen einer Postwachstumsgesellschaft argumentieren hingegen damit, dass es bis jetzt nicht gelungen sei, die Umweltprobleme durch Technik in den Griff zu bekommen, sie scheinen sogar trotz einiger Bemühungen stetig zu steigen. Ein Grund ist unter anderem der Rebound-Effekt: Ressourcensparende Technologien führen meist dazu, dass entweder mehr von dieser Technologie verwendet oder an einer anderen Stelle stattdessen die Umwelt mehr belastet wird. So führt z.B. ein geringer Benzinverbrauch bei Autos dazu, dass die meisten Menschen mehr Auto fahren oder von dem eingesparten Geld z.B. ein unter umweltbelasteten Bedingungen hergestelltes Konsumgut kaufen. Des Weiteren werden von der Degrowth-Bewegung die globalen Ungerechtigkeiten unseres bisherigen Wirtschaftssystems kritisiert, die bei dem Grünen Wachstumsmodell keine Rolle zu spielen scheinen.

Zuletzt wurde auch klar, dass sich die Vorstellungen von einem „guten Leben“ bei der Grünen Wachstumsideologie und dem Postwachstums-/Degrowth-Gedanken stark unterscheiden. Für Anhänger/innen des Grünen Wachstums scheint ein „gutes Leben“ stark mit materiellem Wohlstand gekoppelt zu sein, bei dem es erstrebenswert ist, materielle Güter über einen zum Leben notwendigen Bedarf hinaus zu besitzen. Ferner wird auch eine fortschreitende Technologisierung der Gesellschaft als erstrebenswert erachtet. Bei der Postwachstums-/Degrowth-Bewegung ist „das gute Leben“ nicht an materiellen Reichtum und fortschrittliche Technologie geknüpft. Ferner wird hier großen Wert auf Solidarität gelegt.

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