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Kommentar zur Buchbesprechung „Hans Thie – Rotes Grün“ von Markus Wissen

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Markus Wissen hat eine treffsichere Rezension zu Hans Thies Buch vorgelegt. Jedoch fehlt ein zentraler Aspekt, nämlich Hans Thies Wachstumskritik und seine damit verbundene kritische Sicht auf den Theoriekern von Keynes und den der ökologischen Ökonomen Daly und Binswanger. Gerade das aber dürfte von besonderem Interesse für die LeserInnen des Postwachstumsblogs sein.

Wer Ökologie für alle will, muss die Wirtschafts- und Eigentumsordnung ändern

Hans Thie legt überzeugend dar: Wer Ökologie für alle will, muss die Wirtschafts- und Eigentumsordnung ändern und damit in das Macht- und Herrschaftsgefüge eingreifen. Denn der Kern der Maschinerie, sein Hunger nach Profit, der Zwang zu Konkurrenz und Expansion und damit Wachstum lässt sich nicht bändigen und allmählich in eine sich selbst genügende Mäßigung überführen. Zudem stehen die langwierigen adaptiven Prozesse, die in der Natur ablaufen, im direkten Widerspruch zum profitgetriebenen Verwertungstempo. Thie zieht hieraus den Schluss, dass soziale und ökologische Reformen auf Grundlage des Bestehenden nur dann dauerhaften Bestand haben werden, wenn es zu einer tiefgreifenden Demokratisierung von Wirtschaft und Gesellschaft kommt, die die schonungslose Ressourcenausbeutung beendet und den Weg in eine Postwachstumsgesellschaft auf der Grundlage des Konzepts der Commons als neuem Zentrum der Ökonomie ebnet.

Vergesellschaftung ist Voraussetzung einer Postwachstumsgesellschaft

Hierzu gehört für mich – und Hans Thies Darlegungen konkretisierend -, die Vergesellschaftung des mächtigen Banken- und Finanzsektors, wie auch strukturbestimmender Schlüsselindustrien und großen Grund- und Bodenbesitzes. Der Banken- und Finanzsektor wird zur demokratisch regulierten Investitionssteuerung gebraucht, mit der anhand großer Investitions- und regionaler Entwicklungsfonds in der Übergangsperiode zur Postwachstumsgesellschaft darüber entschieden werden kann, was künftig weichen und was wachsen soll. Damit kann ein Zusammenspiel von Markt und Planung realisiert werden. Das sind aus meiner Sicht notwendige Voraussetzungen, um in eine ökologisch-egalitäre Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung hinein wachsen zu können, die das Wirtschaftswachstum nicht braucht.

Die Wachstumskritik ist Antworten schuldig geblieben

Sowohl für diesen Übergangsprozess vom Kapitalismus in eine Postwachstumsgesellschaft als auch dafür, wie eine Wirtschaft ohne Wachstum funktionieren kann, ist die Wachstumskritik Antworten schuldig geblieben. Deshalb hat sich Hans Thie eingehend mit dem Theoriekern von Keynes und dem der ökologischen Ökonomen Daly und Binswanger auseinandergesetzt. Seine Befunde sind ernüchternd:

1. Die Anhänger von John Maynard Keynes haben zwar viel und Richtiges zu sagen über die wirtschaftspolitische Steuerung der »großen Größen«, des Lohnes, des Zinses und des Wechselkurses der Währungen, sind aber ökologisch ahnungslos. Deshalb sind sie fernab von zentralen Auseinandersetzungen unserer Zeit.

2. Herman Daly kann aufzeigen, dass die Kosten des Wachstums bei aufgeblähter Produktion und entsprechendem Konsum dessen Nutzen übersteigen und in einer Gesamtbilanz weiteres Wachstum vollständig sinnlos werden kann. Das sind Gedanken, die für die gewöhnliche Wirtschaftswissenschaft auch deshalb nicht akzeptabel sind, weil Daly die Heiligkeit der Märkte und tradierten Eigentums nicht ohne weiteres akzeptiert (siehe Herman Daly 1999. Ecological Economics and the Ecology of Economics. Essays in Criticism. Cheltenham and Northampton: Edward Elgar). Allerdings hat er für sein Plädoyer einer nicht mehr wachsenden, stationären Wirtschaft unzureichend die Frage beantwortet, wie denn eine Wirtschaft mit Kredit, Zins und Profit, aber ohne Wachstum, funktionieren soll. Auch bei anderen Autoren aus der jungen Tradition der ökologischen Ökonomie ist genau das der große und auffallende Mangel.

3. Hans Christoph Binswanger bringt zwar den Wachstumszwang auf den Punkt, bleibt aber in seinen politischen Konsequenzen vollständig im privatwirtschaftlichen Rahmen. Sein Fazit: Ohne Wachstum geht es nicht. Seiner Konsequenz, den Ressourcenverbrauch zu mäßigen und das Wachstum zu dämpfen, wird deshalb kein durchschlagender Erfolg beschieden sein.

1 Kommentare

  1. ich glaube es bleibt nicht nur die Wachstumskritik Antworten schuldig.

    Bleiben nicht auch die Wachstumsanhänger Antworten schuldig? Ist nicht vor allem die Frage offen, wie denn zukünftig Wachstum erzeugt werden soll, wenn Resourcen (insbesondere fossile Energierohstoffe) knapp werden?

    Wachstum und technische Entwicklung gibt es erst im nennenswerten Umfang seitdem fossile Energien (erst Kohle, später Öl und Gas) ausgebeutet werden konnten. Inzwischen ist es absehbar, dass deren Verfügbarkeit geringer wird, sprich dass weniger Energie für unser Wirtschaften zur Verfügung stehen wird.

    Wer jetzt die Trumpfkarte „Innovation“ und Erhöhung der Effizienz ziehen möchte, dem muss gesagt werden, dass wir inzwischen bei vielen technischen Prozessen in der Nähe des physikalisch Machbaren sind.

    Wir werden also in der Zukunft mit weniger Energie und Rohstoffen wirtschaften müssen. Ich glaube nicht daran, dass wir damit noch ein großes Wirtschaftswachstum werden realisieren können.

    Die IEA verbreitet immer noch den Optimismus, dass die Rohölförderung auch noch in den nächsten 20 Jahren steigen wird, und damit ist es für die meisten „Mächtigen“, die einen demokratisch definierten Verantwortlichkeitshorizont von weniger als 10 Jahren haben, so wie es ist in Ordnung und man muss nichts ändern.

    Wir haben in unserem Wirtschaftssystem einen (monetären) Wachstumszwang. Und wenn wir nicht mehr über den Mechanismus dieses Zwanges herausfinden und ihn so weit wie möglich abschalten, wird uns alles um die Ohren fliegen. So oder so. Nur sind wir bei der rechtzeitigen Umstellung auf eine Postwachstumökonomie wahrscheinlich deutlich robuster und können mit geringeren Verlusten wieder neu anfangen.

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