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Grüner wird’s nicht

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Mit dem Konzept der Grünen Ökonomie verbindet sich ein verlockendes Angebot. Wirtschaft und Natur werden nicht mehr als Gegensätze betrachtet, im Gegenteil: Die Wirtschaft gerät zur treibenden Kraft, mit der sich die ökologische und soziale Krise aufhalten lässt. Ihre wichtigsten Instrumente sind Marktmechanismen und technologische Innovation. Schon der Begriff verspricht Versöhnung und vielleicht ist er deshalb so beliebt – bei IWF und Weltbank ebenso wie in der Industrie und mittlerweile auch bei zahlreichen NGOs.

Thomas Fatheuer, Lili Fuhr und Barbara Unmüßig trauen diesem Frieden offenbar nicht ganz. In ihrer Kritik der Grünen Ökonomie nehmen sie das neue Leitbild skeptisch auseinander. Sie stellen dessen implizite Grundannahmen in Frage, machen blinde Flecken deutlich und kommen zu einem Schlussplädoyer, das sich wie ein Gegenentwurf zur Grünen Ökonomie liest. Alle drei sind oder waren für die Heinrich-Böll-Stiftung tätig, die das Buch herausgegeben hat. Eine der Autorinnen, Barbara Unmüßig, sitzt sogar im Vorstand der Stiftung. Dass sie hier so deutlich Stellung bezieht, lässt aufhorchen. Schließlich wirbt Ralf Fücks, ihr Kollege in dem zweiköpfigen Leitungsgremium, seit langem für eine „grüne industrielle Revolution“ und setzt dabei unter anderem auch auf Lösungen, die in diesem Buch kritisiert werden. Im Vorwort, das die beiden Vorstandsmitglieder gemeinsam verfasst haben, wird die Publikation als „Teil der Kontroverse“ eingeordnet, die Rede ist von „unterschiedlichen Sichtweisen“ und „produktiver Reibung“.

Das Buch bietet eine knappe, aber präzise und verständliche Erläuterung verschiedener Ansätze, die mittlerweile mit dem Schlagwort Grüne Ökonomie zusammengefasst werden. Auch den Aufstieg dieses Begriffs im politischen Diskurs beleuchten die Autor/innen: Ende der 1990er-Jahre im Umfeld grüner Bewegungen und Parteien entstanden, wurde das Konzept vor allem durch Entwicklungen populär, die die ökologische Krise in Zusammenhang mit Finanzierungsfragen stellen. Seit der Stern-Report 2006 die Folgekosten des Klimawandels aufzeigte, ist auch die Mainstream-Ökonomie darauf aufmerksam geworden, dass die natürlichen Ressourcen nicht folgenlos geplündert werden können. Die Grüne Ökonomie reagiert darauf mit zwei Grundannahmen. Erstens: Die Gefährdung der Natur muss (ebenso wie ihr Nutzen) in ökonomische Kennziffern übersetzt und ins Marktgeschehen einbezogen werden. Zweitens: Wenn wir massiv in technologische Innovationen investieren, lässt sich allein dadurch bereits ein großer Teil der ökologischen Bedrohungen abwenden. Mit anderen Worten: Das gegenwärtige Wirtschafts- und Gesellschaftssystem kann so bleiben, wie es ist, und auch am Lebensstil der Industrieländer muss sich nichts ändern. Es reicht, wenn wir die Natur in die Wirtschaft „einpreisen“ und die Finanzströme in „grüne“ Produktionssegmente umlenken.

Was das im Einzelnen bedeutet, legen die Autor/innen an vielen Beispielen dar. Dass Schäden an der Natur ökonomisch erfasst werden müssen, entspricht auch einer alten Forderung von Umweltverbänden („put a price on carbon“). Doch die Grüne Ökonomie setzt eine umfassende Quantifizierung von Natur in Gang, die nicht nur zu einem weitgehend nutzlosen Handel mit Verschmutzungsrechten geführt hat, sondern zum Beispiel auch indigene Gemeinschaften davon ausschließt, ihre Wälder als Gemeingüter so nachhaltig zu bewirtschaften, wie sie es gewohnt waren – denn diese Wälder haben jetzt einen Preis und unterliegen der Verwertungslogik. Auch das Schlagwort von der technologischen Innovation verliert schnell seinen Glanz, wenn man die einzelnen Folgen betrachtet: Verbrennungsmotoren werden effektiver, aber das Gewicht der Autos nimmt zu. Elektrogeräte werden sparsamer, aber es gibt immer mehr davon. Eine absolute Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch ist nicht in Sicht. Bereits die ökologische Krise lässt sich mit den Wunderwaffen der Grünen Ökonomie nicht lösen, von der sozialen ganz zu schweigen.

Die Argumente haben gelegentlich Berührungspunkte mit dem Postwachstumsdiskurs – zum Beispiel, wenn im Schlussplädoyer „die Kunst des Unterlassens, des Schrumpfens, des Weniger“ beschworen wird. Doch der Begriff „Degrowth“ fällt nur an einer Stelle – an der sie sich von ihm als „Kehrseite“ des Wachstums abgrenzen.

Die Autor/innen sprechen sich für eine Repolitisierung der Ökologie aus. Sie setzen nicht nur auf einen regulierenden Staat, sondern auch auf mehr demokratische Kontrolle und eine starke Zivilgesellschaft. Dass sie dabei explizit „die jetzige kapitalistische Produktions- und Konsumweise“ transformieren möchten, wäre umso bemerkenswerter, wenn das Buch tatsächlich als Positionsbestimmung innerhalb der Böllstiftung (und damit vielleicht auch der grünen Partei) gelesen werden könnte.

 

Thomas Fatheuer, Lili Fuhr, Barbara Unmüßig. 2015. Kritik der Grünen Ökonomie. Hg. von der Heinrich-Böll-Stiftung, München: Oekom Verlag.

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