Neues aus der Wissenschaft

Glück und Wachstum

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In der sogenannten „Glücksforschung“ beschäftigen sich verschiedene wissenschaftliche Disziplinen mit dem statistischen Zusammenhang zwischen Lebenszufriedenheit (erhoben als die Selbsteinschätzung der Befragten) und einer Vielzahl von möglichen Einflussgrößen – unter anderem dem Einkommen. Dabei zeigt sich zunächst, dass diejenigen mit einem überdurchschnittlich hohen Einkommen zufriedener sind als diejenigen mit einem unterdurchschnittlichen Einkommen.

Auf den zweiten Blick wird jedoch klar, dass ein „schlechtes“ Einkommen die Leute nicht deshalb weniger glücklich macht, weil sie absolut betrachtet wenig verdienen und deshalb einen niedrigen Lebensstandard haben, sondern weil sie relativ weniger verdienen. Mit anderen Worten: wenn sich dank 100% (realen!) Wirtschaftswachstums alle Einkommen und Lebensstandards verdoppelten, würden diejenigen mit den unterdurchschnittlichen Einkommen immer noch nicht zufriedener sein, weil sie eben immer noch einen relativ geringen Lebensstandard hätten.

Es sind wohl vor allem drei Mechanismen, die dazu führen, dass ein relativ geringer Lebensstandard auch in einem insgesamt sehr wohlhabenden Land die Betroffenen unzufriedenen macht:

  1. Eine ganze Reihe von Gütern lässt sich nicht oder kaum vermehren, so dass immer nur die relativ Reichsten Zugriff darauf haben werden – ähnlich wie bei der Auktion von seltenen Briefmarken. Dazu gehören z.B. Grundstücke in attraktiven Wohnlagen aber auch die Möglichkeit, Dienstleistungen in großem Umfang in Anspruch zu nehmen (Haushaltshilfen, Taxi fahren etc.).
  2. Die Erwartungen der Gesellschaft an meinen Lebensstandard steigen mit dem allgemeinen Wohlstand. Je wohlhabender eine Gesellschaft, desto makelloser muss ich mich kleiden, desto teurer muss der Wein sein, den ich einem Gastgeber mitbringe, und desto öfter erwarten meine Freunde, dass ich kostspielige Freizeitaktivitäten mitmache. Wer hier nicht mithalten kann, fühlt sich schnell – und nicht zu Unrecht – ausgegrenzt.
  3. Wir gewöhnen uns an neue Annehmlichkeiten, und das Wissen um die Verbreitung neuer, besserer Güter weckt latente Bedürfnisse. Solange es z.B. keine Handys gab, hat sie niemand wirklich vermisst, aber heutzutage auf sein Handy (und demnächst das Smartphone) zu verzichten – geschweige denn auf die Spülmaschine oder gar auf die warme Dusche –, wäre für die meisten eine echte Einschränkung ihrer Lebensqualität.

Diese Einsichten reichen natürlich nicht aus, um zu belegen, dass Wirtschaftswachstum keinerlei Vorteile mit sich bringt. Sie sollten uns aber bewusst machen, dass viele mit Wirtschaftswachstum verbundene Erwartungen unerfüllbar sind und dass insbesondere eine übermäßige Einkommensungleichverteilung Probleme schafft, die sich mit Wirtschaftswachstum allein nicht lösen lassen.

In einer Postwachstumsgesellschaft würden sich die mit übermäßiger Ungleichverteilung verbundenen Probleme natürlich nicht von selbst lösen, aber immerhin würde nicht auf Wachstum gesetzt werden und damit viel Zeit und Energie vertan.

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