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Die Alternativen zum Öl sind keine

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Als Argument gegen Peak Oil wird angeführt, dass die Nutzung der unkonventionellen Ölarten wie Teersande und des Ölschiefers zunehme. Es sei nachrangig, wie das Angebot gesichert wird. Die Förderung der unkonventionellen Funde hat insbesondere in den USA seit 2005 einen Aufstieg genommen, angeblich durch die neuen Horizontalbohrungen in Verbindung mit einem „Fracking“, wirtschaftlich ermöglicht durch gestiegene Ölpreise. Ein entscheidender Faktor war, dass 2005 von US-Präsident George W. Bush die Umweltgesetze, die bis dahin beachtet werden mussten, von der Administration in Washington gelockert wurden.

Diese Fakten wurden im WEO 2011 der IEA ausführlich behandelt[1]. Das Maximum der Förderung neuartiger Angebote wird zwischen 2020 und 2025 liegen. Danach wird die Produktion schnell zurückgehen, im Jahr 2035 nur noch halb so hoch sein wie in 2020.

Förderung unkonventionellen Öls basiert auf sehr optimistischen Annahmen

Im WEO 2012 wird die Entwicklung positiver beschrieben, was bei den Natural Gas Liquids (NGL) und den unkonventionellen Angeboten auf einem deutlich niedrigeren Rückgang der Förderung in den nächsten Jahren gegenüber den Werten der Vergangenheit und einem höheren Energieertrag bei der Ausweitung der NGL-Förderung beruht. Beide Aussagen sind umstritten. Dagegen wurde das klassische Ölangebot in den New Policy Scenario (NPS) für 2020 (von 68,8 auf 66,9 mb/d) und für 2035 (von 67,9 auf 65,4 mb/d) sogar gegenüber den Werten im WEO 2010 und 2011 heruntergestuft. Zudem wird – anders als in allen Berichten zuvor – nicht mehr mit einer nennenswerten Ausweitung der Ölproduktion in Saudi-Arabien gerechnet, für Russland wird eine abnehmende Förderung erwartet. Damit bleibt festzuhalten:

– Der Anstieg von light tight oil beruht auf sehr optimistischen Annahmen. Die amerikanische EIA, die in der Vergangenheit in der Regel zu hohe Prognosen erstellt hat, geht in ihrem Referenzszenario “US Oil Production by Source and Region 2010 – 2035” von einer künftigen Förderung aus, die nur bei einem Drittel des IEA-Wertes liegt[2].

– Die Förderung der Teersande z. B. in Kanada oder von Schieferöl z. B. in Estland, North Dakota/USA, China oder Brasilien kommt belastbar nur auf Mengen, die weit davon entfernt sind, den Rückgang der bisherigen Ölquellen auszugleichen.

– Wenn überhaupt, handelt es sich mit Sicherheit nur um ein kurzfristig nutzbares Angebot von global 3 mb/d.

– Die Lagerstätten von Schieferöl sind keine neuen Ölquellen. Schieferöl ist ein feinkörniges Sediment, aus dem Kohlenwasserstoffe herausgepresst werden[3]. Es wurde gegen starke Widerstände vom Umwelt- und Naturschutzverbänden verfügbar gemacht.

– Auch Teersande sind kein Öl, sondern ein Gemenge aus Ton, Silikaten, Wasser und Kohlenwasserstoffen. Die bedeutendsten Vorkommnisse liegen in Kanada und Venezuela. Die Folgen des Abbaus sind riesige Brachflächen, ein steigendes Krebsrisiko und höhere Treibhausgasemissionen[4].

– Viele Raffinerien sind nicht darauf ausgelegt, Öl mit einem hohen Schwefelgehalt zu verarbeiten, das zudem die Luftqualität verschlechtert[5].

Die IEA empfiehlt als wichtigste Aufgabe eine viel effizientere Energienutzung, vor allem im Verkehr, um zu einer deutlichen Reduktion des Verbrauchs zu kommen. Die Abhängigkeit von den Ölstaaten bleibt, auch die USA werden kein Selbstversorger werden, selbst wenn sie mit aller Kraft endlich Energiesparen würden, wovon das Land nach wie vor weit entfernt ist.

Das System motorisierten Verkehrs kommt an ein Ende

Entscheidend für die Zukunft des fossilen Verkehrs ist das Plateau der Ölförderung im Verhältnis zur erwarteten Nachfrage. Bestenfalls für einige Jahre wird der Produktionsumfang gehalten, bis es zu einem Abstieg kommt, der sich nach kurzer Zeit beschleunigen wird. Das System des motorisierten Verkehrs auf der Basis fossiler Energieträger kommt an ein Ende, wenn das Ölangebot nicht mehr zu steigern ist, also das Fördermaximum erreicht wird. Das ist eine gewaltige Herausforderung insbesondere für unser Land, das in besonderer Weise von der Automobilindustrie geprägt ist.

Peak-Oil ist ein tiefer Einschnitt. Es gibt kaum eine größere Herausforderung, die in kurzer Zeit bewältigt werden muss, als das Ende des Ölzeitalters. Entscheidend ist, dass massive ökonomische und soziale Folgen zu erwarten sind und es um Öl basierte Strukturen in Wirtschaft und Gesellschaft geht, die nicht per Knopfdruck geändert werden können. Verteilungskonflikte sind national und international zu erwarten, die globalen Finanzströme werden weltweit massiv beeinflusst, die Folgen für Industrie und Beschäftigung sowie für die globale Arbeitsteilung sind noch kaum zu erfassen.

Peak Oil führt in die Krise

James Murray und David King beschrieben in Nature den Zusammenhang zwischen der Verknappung von Erdöl und der Wirtschaftskrise[6]. Für sie ist unter den derzeitigen Rahmenbedingungen das Ölfördermaximum der limitierende Faktor für wirtschaftliches Wachstum. Ölknappheit begünstigt rezessive Tendenzen. Wenn Peak Oil erreicht ist, folgen starke Preissteigerungen und wirtschaftliche Verwerfungen. Viele Nachfrager, vor allem in den Entwicklungsländern, werden in den nächsten Jahren wirtschaftlich erschüttert bis hin zu neuen Formen der Ausgrenzung auf den Weltmärkten.

Auch sind (geo)-politische Friktionen aufgrund der ungleichen Verteilung von Ressourcen zu befürchten. Deshalb besteht dringender Handlungsbedarf „weg vom Öl“. Er erfordert nicht nur technische, sondern vor allem grundlegende wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Innovationen. Nicht zuletzt ist diese Aufgabe auch klimapolitisch gerechtfertigt. Dann kann die Verkehrswende weltweit zu einem Vorbild werden, wie eine sozial- und naturverträgliche Mobilität zu organisieren ist.


[1] International Energy Agency (IEA). World Energy Outlook. Paris 2012

[2] Miller, A.. Post Carbon Institute. 2012

[3] Europäisches Parlament. Auswirkungen der Gewinnung von Schiefergas und Schieferöl auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit. Brüssel 2011

[4] Brandt, A. Upstream greenhouse gas emissions from canadian oil sand as a feedstock for european refineries. University Stanford 2011

[5] Speight, J. G.. The Chemistry and Technology of Petroleum. Kindle eBook 2009

[6] Murray, J. und D. King. Oil`s tipping point has passed. In: Nature 433. 26. Januar 2012

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