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„Das Engagement vieler BürgerInnen machten die notwendigen Strukturreformen möglich“ – Interview mit Christine Ax und Friedrich Hinterberger

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In ihrem neuen Buch „Wachstumswahn – was uns in die Krise führt und wie wir wieder heraus kommen“ erklären Christine Ax und Friedrich Hinterberger woher die Wachstumsbegeisterung in der Vergangenheit rührte, widerlegen unterhaltsam und verständlich das Credo, dass es ohne endloses Wachstum nicht geht, und zeigen, warum Wachstum keine zeitgemäße Antwort auf die aktuellen Probleme ist. Für die Interview-Reihe des Stream towards Degrowth haben sie unsere Fragen beantwortet.

Stellen Sie sich vor, die Welt erlebt eine Zeit des „guten Lebens“ jenseits des Wachstums. Blicken wir dann, sagen wir im Jahre 2030, auf die vergangenen Jahrzehnte zurück.

1. Inwiefern war die Gesellschaft wachstumsabhängig?

Obwohl wichtige Wachstumstreiber wie Konsum, Investitionen, Staatsausgaben und Exporte, Arbeit, Kapital, Ressourcen und technischer Fortschritt  stetig an Triebkraft verloren, waren wichtige Teilsysteme unserer Gesellschaft, zum Beispiel das Finanzsystem, die Staatshaushalte und der Arbeitsmarkt so konstruiert,  dass sie Wachstum brauchten.

2. Welche waren die Hindernisse, die einer Wachstumswende im Wege standen?

Weder das politische System noch die Wissenschaft beschäftigten sich mit dieser Entwicklung. Sie zogen eine  „Kopf in den Sand“-Strategie vor. Anstatt die notwendigen Reformen in Angriff zu nehmen, wurde immer wieder versucht, das Wachstum anzukurbeln. Man war nicht bereit, den Realitäten ins Auge zu sehen.

3. Welchen Beitrag haben sie für eine Gesellschaft jenseits des Wachstums geleistet?                            

Wir tragen mit unserer wissenschaftlichen Arbeit zu einem besseren Verständnis der oben angesprochenen Zusammenhänge bei. Uns liegt aber auch die Popularisierung des Themas sehr am Herzen. Wir wollen, dass  mehr Menschen verstehen, worum es eigentlich geht, damit sie selber  aktiv werden können und von der Politik das Richtige fordern. Und wir versuchen selber auch, so zu leben, dass wir Wachstum nicht brauchen.

4. Was macht für Sie ein  „gutes Leben“ auf einem  geringeren  Produktions- und Konsumniveau aus?

Zufriedenheit und Genuss  der  „Fülle“, die vorhanden ist. Damit meinen wir nicht nur das bereits vorhandene Sachvermögen sondern auch immaterielle Güter wie Musik, Kunst, Kultur und Natur. Wenn wir nicht weiter wachsen, dann bedeutet es, dass wir nicht  jedes Jahr NOCH mehr haben. Das würde  in wenigen Jahrzehnten zu einer Verdoppelung führen!  Wir können mit dem heutigen Niveau zufrieden sein.

5. Welche Anzeichen für eine Welt jenseits des Wachstums gab es schon 2013?

Die Krise von 2008 war nicht wirklich bewältigt. Deshalb ging es 2016 noch einmal so richtig „bergab“. Auch weil schon 2014 nur mehr wenige Menschen (KonsumentInnen wie Unternehmen) an die Möglichkeiten eines „weiter so“ glaubten. Aber es kam nicht wirklich zur Katastrophe. Vor allem die vielen regionalen  KMUs erwiesen sich als Treiber und Stützen des notwendigen Strukturwandels. Neuwahlen und das Engagement vieler BürgerInnen machten die notwendigen Strukturreformen möglich. Vieles von dem was, wir in unserem Buch beschreiben, wurde umgesetzt und Realität.

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