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Chancen einer neuen Gesundheitspolitik

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Was kann und was soll Politik tun, um suffiziente Lebensweisen zu erleichtern? Hierzu reicht es nicht, konkrete Randbedingungen und Infrastrukturen – im Bereich Verkehr, Wohnen, Ernährung – zu gestalten. Suffizienzpolitik zielt genauso auf Rahmenbedingungen des Wirtschaftens und die Orientierung an grundlegenden Prinzipien, die das rechte Maß für Zeit und Raum, für Besitz und Markt vermitteln. Ein vierter wichtiger, bisher wenig diskutierter Zugang einer Suffizienzpolitik sind „Ermöglichungspolitiken“. Dies sind Politikbereiche, die Ressourcen für ein suffizientes Leben schaffen können – Arbeits-, Gesundheits- oder Verbraucherpolitiken. Bei diesen Politiken geht es um die Schaffung von Fähigkeiten und Ressourcen, die es dem Individuum ermöglichen, ein gutes Leben zu führen – Ressourcen wie Bildung, Wissen, souveränes und autonomes Orientieren. Diese Politiken stehen heute oft noch im Bann von mehr ökonomischem Wachstum.

In unserem Buch „Damit gutes Leben einfacher wird. Konturen einer Suffizienzpolitik“ gehen wir auf alle vier Politikansätze des Ermöglichens, Rahmens, Gestaltens und Orientierens (E-R-G-O) ein. In diesem Blog-Beitrag zeigen wir die Bedeutung einer breiter gedachten Gesundheitspolitik als Ermöglichungspolitik auf.

Stabile Gesundheit ohne steigende Gesundheitskosten, geht das?

Suffizienz und Gesundheit sind in mehrfacher Weise miteinander verknüpft: Gesundheit ist zum einen selber ein zentrales menschliches Bedürfnis, eine Bedingung eines guten Lebens. Lange wurde angestrebt, das Gesundheitsniveau durch höhere finanzielle Ausgaben (die ökonomisches Wachstum voraussetzten) im Gesundheitssektor zu verbessern. Diese Logik gerät an ihre ökonomischen Grenzen und es hat die Suche nach einer neuen Gesundheitspolitik begonnen: Wie können wir auch ohne ständig steigende Kosten im Gesundheitssystem gesund bleiben?

Zum anderen erleichtert Gesundheit ein gutes Leben. Sich zu Fuß und mit dem Rad bewegen zu können, sich mit anderen auszutauschen, neue Fähigkeiten zu erwerben – all dies wird durch Gesundheit befördert.  Und schließlich ist Gesundheit eng mit anderen Politiken der Suffizienz verbunden. So geht Stress und die damit verbunden Krankheiten stark auf die Form und Art der Arbeitsorganisation zurück.

Mit der besseren Versorgung kamen die Wohlstandskrankheiten

Dass wir in modernen Gesellschaften ein so hohes Gesundheitsniveau haben, hängt eng mit dem ökonomischen Wohlstand zusammen. Ohne die erhebliche Ausdehnung des Bruttosozialproduktes gäbe es kein flächendeckendes Netz an Krankenhäusern und Ärzten, eine umfassende und teure medizinische Versorgung, die Entwicklung und Produktion innovativer Medikamente.

Gleichzeitig spüren wir, dass immer höhere Ausgaben für das Gesundheitssystem nicht automatisch mehr Gesundheit bewirken. Wachstum im Gesundheitssektor kann sogar mit kontraproduktiven Effekten verbunden sein. So mehren sich die Nachrichten über unnötige Knie- und Hüftoperationen, um die Auslastung von Geräten und Kranken-häusern zu gewährleisten. Die Zahl an Schönheitsoperationen erlebt einen Boom und die Hauptumsatzbringer für die meisten pharmazeutischen Unternehmen sind Medikamente, die gegen klassische Wohlstandskrankheiten wie Herz-/Kreislauferkrankungen oder durch Fehlernährung erworbene Diabetes helfen. Diese Krankheiten werden durch individuelle Lebensstile mit verursacht. Helfen würden daher auch Rahmenbedingungen, die den betroffenen Menschen ein gesünderes Leben leichter machen.

Suffiziente Gesundheitspolitik bedeutet Vorsorge statt Nachsorge

Für eine Gesundheitspolitik bedeutet das die noch konkretere Ausrichtung an Vorsorge statt Nachsorge, die Schaffung von Rahmenbedingungen und Anreizen, die gesundes Leben erleichtern, und die Kultivierung von Leitbildern für unser Verhältnis von Gesundheit und Krankheit, die von überzogenen Schönheitsidealen absehen und die körperliche Begrenztheit unserer Existenz als solche akzeptieren.

Eine Vertiefung dessen, wie Gesundheitspolitik als Teil einer umfassenden Suffizienzpolitik aussehen kann, findet sich im Buch „Damit gutes Leben einfacher wird. Konturen einer Suffizienzpolitik„. Die Buchvorstellung findet statt am11. November 2013 um 19.00 Uhr im Auditorium des Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum der Humboldt-Universität,  Geschwister-Scholl-Straße 3, 10117 Berlin (direkt am S-Bahnhof Friedrichstraße). Weitere Informationen zur Veranstaltung und zu dem Buch finden Sie hier.

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