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Beyond Oil – Schritte auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft

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Die Transformation zu einer klimaneutralen, post-fossilen Wirtschaft ist für Unternehmen mit Herausforderungen und Risiken, aber auch mit Chancen verbunden. Dies ist bereits heute erkennbar und wird absehbar in den kommenden Jahren noch zunehmen: zu den Risiken zählen steigende und zunehmend volatile Energiepreise, zunehmender politischer und gesellschaftlicher Druck zur Emissionsreduzierung, veränderte Verbraucherpräferenzen, Abhängigkeiten von politisch instabilen Regionen und anderes mehr. Gleichzeitig bieten aber zum Beispiel gerade die veränderten Verbraucherpräferenzen und regulatorischen Rahmenbedingungen für diejenigen Unternehmen Wettbewerbsvorteile, die ihre Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zur rechten Zeit reduziert haben.

Auf dem Weg zu einer post-fossilen Wirtschaft lassen sich m.E. sechs verschiedene Bündel von Maßnahmen benennen, die Unternehmen – je nach Branche und Größe der Unternehmen natürlich unterschiedlich – ergreifen können.

Transparenz herstellen

Obwohl dies eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte: viele Unternehmen haben keine volle Transparenz über ihre betrieblichen Energie- und Emissionsdaten. Oft kennen sie diese Daten nur unvollkommen oder auf sehr aggregiertem Niveau, können aber weder die betrieblichen Energieströme noch die zeitlichen Verläufe oder die damit einhergehenden Treibhausgasemissionen genau abbilden. Eine Analyse der betrieblichen Energieverbraucher sowie deren zeitlicher Verläufe ist aber Voraussetzung für jegliche Verbesserung. Erst die volle und zeitnahe Transparenz über alle wichtigen Verbraucher ermöglicht es, unnötige Verbräuche, Leerlaufzeiten, Lastspitzen oder defekte oder ineffiziente Anlagen und Geräte zu erfassen. Dank heutiger Informationstechnologie ist es beispielsweise möglich, durch die im laufenden Anlagenbetrieb gewonnen Daten Rückschlüsse auf Verschleiße und Defekte zu ziehen, so dass unnötige Energieverbräuche, aber auch störende Ausfallzeiten durch unvorhergesehene Wartungs- oder Reparaturarbeiten minimiert werden können („predictive maintenance“).

Ist diese Transparenz erst einmal hergestellt, ergeben sich verschiedene Möglichkeiten, Energieverbräuche und Treibhausgasemissionen zu senken bzw. sogar ganz aus fossilen Energieträgern auszusteigen.

Energiebedarf verringern

Die einfachste Möglichkeit zur Reduzierung des Energieverbrauchs ist die Vermeidung von unnötigem Verbrauch. Investitionen sind dabei in der Regel gar nicht oder allenfalls sehr geringfügig erforderlich. Gerade kleine und mittlere Unternehmen haben diesbezüglich oft noch riesiges Potential, wenn etwa Heizungs- oder Druckluftsysteme in Büro- oder Produktionsräumen nach Dienstschluss (am Feierabend oder am Wochenende) betrieben, Beleuchtungen nicht nutzungsspezifisch geschaltet werden oder elektronische Geräte im Standbybetrieb bleiben anstatt vollständig ausgeschaltet zu werden. Allein der Standby-Betrieb elektrischer Geräte ist weltweit für etwa 1 Prozent der Treibhausgasemissionen zuständig, Tendenz steigend. In Deutschland, wo es im globalen Vergleich überdurchschnittlich viele Geräte mit Standbybetrieb gibt, werden etwa 11 Prozent der Stromes nur für den Standby-Betrieb erzeugt [FH ISI]. Nach Schätzungen der IEA könnte dieser Wert weltweit bis 2030 sogar für 15% des gesamten Stromverbrauchs elektrischer Geräte verantwortlich sein.

Energieeffizienz erhöhen

Signifikante Reduktion von Energieverbrauch, Emissionen und Kosten lassen sich durch effizientere Nutzung erreichen. Im Unterschied zu dem zuvor genannten Punkt sind hier meist Investitionen erforderlich, die z.T. aber sehr kurze Amortisationszeiten haben. Zu diesen endnutzerspezifischen Maßnahmen gehören effizientere Elektromotoren, Pumpen, Heizungs- und Beleuchtungstechnik oder die Nutzung von Prozess- oder Abwärme. Es gibt Schätzungen, wonach wir bis 2030 fast ein Viertel des Endenergiebedarfs in Deutschland durch solche endnutzerspezifischen Maßnahmen einsparen könnten (gegenüber Basisjahr 2009, vgl. IFEU 2009)

Systematische Betrachtung und Optimierung erlauben Energiemanagementsysteme, die für bestimmte Unternehmen (die eine wettbewerbspolitische Stromsteuerbefreiung beantragen wollen, sog. „Spitzenausgleich“) inzwischen sogar verpflichtend sind. Das Umweltbundesamt  bietet hier Unterstützung an (UBA) und stellt in seinem Umweltinnovationsprogramm zahlreiche „Best-practice“-Beispiele dar.

Energieintensität der Wertschöpfung reduzieren

Während die zuvor gemachten Beispiele in der Regel auf technischen Effizienzsteigerungen beruhen, kann auch die Energieintensität der Wertschöpfung reduziert werden – das heißt, es wird mehr Wertschöpfung mit derselben Energie erzielt. Eine solche Reduzierung der Energieintensität ergibt sich zum Teil „von selbst“ durch Marktmechanismen aus einem Strukturwandel innerhalb einer betrachteten Branche und wird mit zwischen 0,5% – 1% pro Jahr angenommen (vgl. Jochem et al. 2011, S. 5). Zum Teil entscheiden sich Unternehmen aber auch ganz bewusst, diesen Strukturwandel zu beschleunigen und ihr Geschäftsmodell weniger energie- und ressourcenintensiv zu gestalten. Der Sportartikelhersteller Patagonia ruft zum Beispiel seine Kunden bewusst zur Kaufzurückhaltung bzw. zum Verzicht auf: „Don’t buy this Jacket!“. Anstatt eine neue Jacke zu kaufen, sollten die Konsumenten lieber den neu eingerichteten Reparatur-Service nutzen, die Jacke zur Weiterleitung an Bedürftige zurückgeben, oder geordnet einem Sekundärrohstoffmarkt zuführen. Obwohl solche Ansätze in die richtige Richtung gehen, kann natürlich auch hier nicht ganz ausgeschlossen werden, dass der Verbrauch wegen des Rebound-Effekts in Einzelfällen doch zunimmt.

Energiebeschaffung umstellen

Die Umstellung der Energiebeschaffung ermöglicht noch erheblich größere Fortschritte. Selbst bei Nutzung fossiler Energieträger lassen sich deutliche Verbesserungen der Energie- und Emissionsbilanz erzielen, wenn modernste Technik zum Einsatz kommt und mit Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen sowohl Wärme als auch Strom erzeugt werden. Immer mehr Unternehmen gehen dazu über, ihren Strom selbst zu produzieren. Laut einer DIHK-Umfrage erzeugen mittlerweile schon 13 % der deutschen Unternehmen ihren eigenen Strom, noch einmal weitere 16 % planen, dies künftig zu tun. Noch mehr lässt sich freilich bei einer Umstellung auf Erneuerbare Energien erreichen, was auch heute schon rentabel sein kann. Es gibt Unternehmen des produzierenden Gewerbes, die als Positiv-Energie-Unternehmen nicht nur zu 100% ihre eigene, erneuerbare Energie erzeugen, sondern sogar noch regenerative Überschüsse erzielen (vgl. z.B. Schmalz GmbH).

Produktgestaltung anpassen

Während die meisten bisher genannten Maßnahmen den operativen Betrieb eines Unternehmens betreffen, ist die Energieintensität der hergestellten Produkte während ihrer Nutzungsphase oft noch wichtiger bei der Energie- und Emissionsbilanz. Zwar sind die ökologischen Nebenwirkungen von Produkten und Dienstleistungen komplex und nur in einer System-Betrachtung möglich. Um dennoch schon einen ersten Anhaltspunkt für die ökologische Qualität eines Produkts zu erhalten, wird oft der „Carbon Footprint“ von Produkten errechnet, der die entlang des Produkt-Lebenszyklus freigesetzte Menge an Treibhausgasen berechnet. Und diese Betrachtungen beeinflussen Unternehmensentscheidungen zunehmend auch bereits in der Design- und Entwicklungsphase. Einer Umfrage des Carbon Disclosure Project zufolge nimmt die Zahl der großen Unternehmen, die Klimaschutzziele in die Geschäftsstrategie integrieren, weiter zu. Von den 2012 befragten Global-500-Unternehmen (von denen 81 % die Umfrage beantworteten), gaben 78 % an, Ziele zur Emissionsreduktion in die Strategie integriert zu haben (gegenüber 68 % im Jahr 2011). Da sehr viele Unternehmen in der einen oder anderen Form Teil der Lieferkette großer Marken sind, wird es auch für sie immer wichtiger, die Anforderungen der Markenhersteller und Händler zu kennen und ihnen zu genügen.

Der Übergang in eine post-fossile Gesellschaft wird wohl noch Jahrzehnte dauern. Das gibt Gelegenheit, langfristige strategische Planungen sukzessive daran auszurichten. Wie wichtig ist der Einfluss fossiler Energieträger, welche Rolle spielt deren Verfügbarkeit und Preis für den wirtschaftlichen Erfolg? Gibt es Möglichkeiten, das Geschäftsmodell zum Beispiel durch eine Erhöhung des Dienstleistungsangebots zu verändern? Wo können neue Wertschöpfungsmöglichkeiten erschlossen werden, die auf niedrigen Einsatz von Energie und Ressourcen bei hohem Nutzen für Verbraucher setzen, die sich in geschlossene Stoffkreisläufe einpassen und lokale Beschaffungsprozesse unterstützen?

In diesem zweiten Beitrag habe ich, wie schon beim ersten, auf Gedanken zurückgegriffen, die ich kürzlich mit Uwe Schneidewind veröffentlicht habe  (eine überarbeitete englische Version ist auch erschienen).

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